AG Hamburg-St. Georg (Az.: 919 C 122/23): Nächstes positives Urteil im Datenschutzskandal für Versicherungsnehmer
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat in seinem Urteil vom 09. April 2024 entschieden, dass die ADVOCARD Rechtsschutzversicherung AG verpflichtet ist, Deckungsschutz für die außergerichtliche und erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatz-, Feststellungs-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen zu gewähren. Diese Ansprüche wurden vom Kläger erhoben, nachdem seine personenbezogenen Daten im Jahr 2021 durch ein Datenleck bei Meta Platforms Ireland Limited (ehemals Facebook) an unbefugte Dritte gelangt waren.
Entscheidungsgründe des Gerichts
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass ein Rechtsschutzfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt. Nach § 4 Abs. 1 lit. d) der Allgemeinen Bedingungen der Advocard Rechtsschutzversicherung (ARB 2015) entsteht ein Rechtsschutzfall, wenn ein Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen wurde oder begangen worden sein soll. Das Gericht folgte der Argumentation des Klägers, dass dieser Verstoß mit der Veröffentlichung der Daten im Jahr 2021 ausreichend konkretisiert sei. Das Urteil basiert auf der sogenannten "Drei-Säulen-Theorie", nach der der Tatsachenkern, der Vorwurf eines Rechtsverstoßes und die darauf gestützte Interessenverfolgung des Versicherungsnehmers entscheidend sind.
Relevante Punkte des Urteils
1. Pflichtverletzung der Meta Platforms Ireland Limited: Das Gericht stellte fest, dass die Bezugsbeklagte, Meta Platforms Ireland Limited, keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der persönlichen Daten ihrer Nutzer getroffen hatte. Dies ermöglichte es Dritten, die Daten auszulesen und zu veröffentlichen.
2. Keine ausreichende Information der Betroffenen: Die Beklagte hatte die von dem Datenleck betroffenen Nutzer, darunter auch der Kläger, nicht über die Veröffentlichung der Daten informiert. Dies führte zu einer Nutzung der Daten für gezielte Phishing-Attacken.
3. Verpflichtung zur Deckungszusage: Die ADVOCARD Rechtsschutzversicherung AG hatte die Deckungszusage zunächst abgelehnt mit der Begründung, dass der Versicherungsfall vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sei. Das Gericht widersprach dieser Auffassung und entschied, dass der maßgebliche Zeitpunkt der Veröffentlichung der Daten im Jahr 2021 ist und somit in den versicherten Zeitraum fällt.
4. Kein Dauerverstoß: Das Gericht verneinte das Vorliegen eines Dauerverstoßes. Ein Dauerverstoß setzt voraus, dass der Verstoß über einen längeren Zeitraum kontinuierlich besteht, was hier nicht der Fall war. Vielmehr handelte es sich um einzelne Verstöße, die nicht Teil eines einheitlichen Gefahrverwirklichungsvorgangs waren.
Fazit
Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg stellt klar, dass Versicherungsnehmer auch dann Anspruch auf Deckungsschutz haben, wenn der Versicherungsfall erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags eingetreten ist, sofern der Vorwurf eines Verstoßes klar begründet und nachvollziehbar ist. Das Urteil stärkt die Rechte der Verbraucher im Bereich der Rechtsschutzversicherung und setzt einen wichtigen Akzent im Umgang mit Datenschutzverletzungen und der Verantwortung der Versicherer.