Die Allianz begehrt in erster Linie Auskunft durch Einsichtnahme in die einzelnen Handakten. Ob sie hierzu berechtigt ist, ist umstritten. Ein solcher Anspruch folgt in materieller Sicht nicht (wie aber in dem Schreiben seitens EY behauptet) aus § 50 Abs. 2 BRAO, sondern – wenn überhaupt – aus § 667 BGB (BGH NJW 2020, 3725). Dieser Anspruch steht zunächst einzig dem Mandanten zu. Zwar ist anerkannt, dass der Rechtsschutzversicherer gegen den Rechtsanwalt einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Mandatsabrechnung gem. § 666 BGB hält (BGH r+s 2020, 276). Dass sich ein solcher seinem Umfang nach auch auf die Herausgabe der gesamten Handakte erstrecken sollte, ist – insbesondere in Ermangelung einer Sonderverbindung zwischen Anwalt und Versicherer – doch eher fernliegend.
Soweit der Auskunfts- bzw. Herausgabeanspruch auf § 242 BGB in einem stufenklagen(ähnlichen) Verhältnis zur Bezifferung eines Schadenersatzanspruches gestützt werden sollte, wäre zunächst zu prüfen, welche Informationen die Allianz sich hieraus zu erhoffen scheint. Denn der Rechtsschutzversicherer muss sich zunächst Wissen und Kenntnis seines Versicherungsnehmers als sein (ehemaliger) Mandant zurechnen lassen (OLG Frankfurt am Main, openJur 2021, 31909) und wird sich nicht unter dem Deckmantel dessen fehlender Informationsbereitschaft an den Anwalt halten dürfen.
Jedenfalls in den von uns gesichteten Verfahren fehlte es zudem vollumfänglich an einer nachvollziehbaren Darlegung, welche (dem Versicherungsnehmer bzw. der Allianz nicht ohnehin schon vorliegenden) Informationen die Allianz aus welchen Gründen zu erhalten berechtigt zu sein meint. Die aus den Schreiben ersichtlichen Vorwürfe scheinen aus unserer Sicht zu pauschal und allgemein gehalten, um ein berechtigtes Begehren im Einzelfall ausmachen zu können. Vor diesem Hintergrund scheint es höchst zweifelhaft, dass der Allianz der geforderte Herausgabe- bzw. Auskunftsanspruch tatsächlich zusteht.
Gleiches gilt für die geforderte Art und Weise der Erfüllung. In den uns vorliegenden Beispielschreiben fordert die Allianz ein „geordnetes Verzeichnis über die spezifischen Unterlagen“ aus den Handakten sowie die Gewährung umfassenden Einblickes. Hier gilt: ein Anspruch auf geordnete Darstellung dürfte weder aus §§ 666 ff. BGB (i. V. m. § 50 BRAO) noch aus § 242 BGB folgen. Das bloße Zurverfügungstellen bzw. die Gewährung von Einsichtnahme sollte regelmäßig ausreichen. Schließlich gilt zu beachten, dass die Schuld nach §§ 667 BGB i. V. m. § 50 BRAO wohl als Holschuld zu verstehen ist, sodass die Möglichkeit zur Einsichtnahme am Sitz der Kanzlei ggf. ausreichen muss.