LG Berlin (Az.: 2 O 61/23): Gericht verpflichtet Allianz zur Kostenübernahme für Stichentscheid

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Einer unserer Mandanten, der seit vielen Jahren bei der Allianz Rechtsschutzversicherung rechtsschutzversichert ist, erwarb im Jahr 2016 einen gebrauchten Audi A6 2.0 TDI. Im Rahmen des sogenannten Dieselskandals machte unser Mandant Ansprüche gegen die Audi AG geltend, da das Fahrzeug mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattet war, welcher von den Manipulationen an der Abgasreinigung betroffen war. Die Audi AG hatte auf das Fahrzeug ein Software-Update aufgespielt, welches nach Ansicht des Klägers ein sogenanntes Thermofenster beinhaltete, durch das die Abgasreinigung weiterhin manipuliert wurde.

Im Oktober 2022 stellte der Mandant über seine Anwälte eine Deckungsanfrage bei seiner Rechtsschutzversicherung zur außergerichtlichen Rechtsverfolgung gegen die Audi AG. Die Versicherung lehnte die Deckung mit der Begründung ab, dass mangelnde Erfolgsaussichten bestünden. Daraufhin beauftragte der Mandant seine Anwälte, einen Stichentscheid einzuholen, der die Erfolgsaussichten einer möglichen Klage bewerten sollte.

Die Allianz weigerte sich, die Kosten des Stichentscheids zu übernehmen, da sie der Ansicht war, dieser setze sich nicht ausreichend mit den Ablehnungsgründen auseinander. Daraufhin kam es zu einem gerichtlichen Verfahren.

Entscheidungsgründe des Landgerichts

Das Landgericht Berlin stellte in seinem Urteil klar, dass die Allianz verpflichtet sei, die Kosten des Stichentscheids zu übernehmen. Gemäß den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten darf der Versicherungsnehmer auf Kosten der Versicherung einen Anwalt beauftragen, der eine Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung abgibt. Diese Verpflichtung besteht unabhängig vom Ergebnis des Stichentscheids, sodass die Versicherung die Kosten des Verfahrens tragen muss.

Das Gericht wies die Argumentation der Allianz zurück, wonach der Stichentscheid eine bloße Aneinanderreihung von Mustertexten gewesen sei. Vielmehr sei der in Rede stehende Kfz-Erwerb des Klägers detailliert referiert und die Ansprüche gegen die Audi AG auf Basis der geltenden Rechtsprechung geprüft worden. Die Allianz konnte nicht darlegen, dass der Stichentscheid in wesentlichen Punkten von der Rechtslage abweiche.

Das Urteil hob hervor, dass der Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers im Rahmen des Stichentscheids nicht nur den Sachverhalt darstellen, sondern sich auch mit den Ablehnungsgründen der Versicherung konkret auseinandersetzen muss. Dies sei in der Stellungnahme vom November 2022 geschehen, welche die unterschiedlichen rechtlichen Standpunkte dargestellt und bewertet hatte.

Bedeutung für Versicherungsnehmer

Das Urteil zeigt deutlich, dass Rechtsschutzversicherer nicht ohne Weiteres die Deckung verweigern können, wenn der Versicherungsnehmer auf eine begründete Stellungnahme besteht. Auch wenn die Versicherung sich auf mangelnde Erfolgsaussichten beruft, müssen Versicherer dennoch die Kosten des Stichentscheids übernehmen, solange die Stellungnahme gewissenhaft und individuell auf den Fall abgestimmt ist.

Für Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass sie bei einer Ablehnung durch den Versicherer die Möglichkeit haben, einen Stichentscheid einzuholen und die Kosten hierfür von der Versicherung tragen zu lassen. Dieses Urteil stärkt somit die Position der Versicherungsnehmer, die sich nicht ohne Weiteres mit der Ablehnung von Deckungszusagen durch ihre Rechtsschutzversicherung abfinden müssen.

Haben auch Sie Probleme mit Ihrer Rechtsschutzversicherung? Wurde die Deckungsanfrage wegen vermeintlich mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt? Kontaktieren Sie