Reichweite der Präklusion (Primäre Leistungsbegrenzung)

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Im Streit mit Rechtsschutzversicherern um die Gewährung von Deckungsschutz ist zwischen primären und sekundären Leistungsbegrenzungen zu unterscheiden.  

  • Bei den „sekundären“ Einwänden handelt es sich um die altbekannten Argumente der fehlenden Erfolgsaussicht oder der Mutwilligkeit. Ist ein Stichentscheid angefertigt worden und möchte sich der Versicherer an diesen nicht gebunden fühlen, weil er „offensichtlich von der Sach- und Rechtslage abweicht“ oder akzeptiert er ihn wegen Formalitätsverstößen (etwa „kein unabhängiges Gutachten“) nicht, bewegen wir uns ebenfalls auf der „sekundären“ Leistungsbegrenzungsebene. Für diese ist der Versicherer grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet. 
  • Anders verhält es sich hinsichtlich der „primären“ Leistungsvoraussetzungen bzw. -begrenzungen. Diese umfassen all diejenigen Voraussetzungen, die als Grundlage für einen Deckungsschutz vorliegen müssen, um sich in der Folge überhaupt die Frage der Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit stellen zu dürfen, etwa: 
    • die Frage der Aktiv- und Passivlegitimation,
    • die Frage, ob der angezeigte Versicherungsfall überhaupt vom Vertragsinhalt erfasst ist, oder
    • die Frage der Vorvertraglichkeit.

Für das Vorliegen all dieser Umstände ist der Versicherungsnehmer darlegungs- und beweisbelastet.  

In der Regel verweist der Versicherer im Rahmen seiner Deckungsablehnung auf das (Nicht-)Vorliegen der primären Leistungsvoraussetzungen. Gelegentlich kommt es allerdings vor, dass eine solche Verteidigung erst im laufenden Deckungsverfahren vorgebracht wird. In diesen Fällen muss die Frage gestellt werden, ob überhaupt und wenn ja mit welcher Verzögerung entsprechende Einwände noch berücksichtigt werden können. Denn es scheint naheliegend, dass der Versicherungsnehmer ein berechtigtes Interesse daran hat, im Rahmen der ersten Korrespondenz unmissverständlich mitgeteilt zu bekommen, welche Hürden (Einwände) er insgesamt bis zu einem erfolgreichen Deckungsschutz zu nehmen hat. Hierbei wird es ihm regelmäßig gleichgültig sein, auf welcher der beiden Leistungsbegrenzungsebenen die Argumente ausgetauscht werden. Allerdings sehen die einschlägigen Bedingungswerke keine Präklusionsregelung („unverzüglich“, o. ä.) für die primären Leistungsbegrenzungseinwänden vor.
Dennoch scheinen die Versicherer nach der wohl herrschenden Rechtsprechung aus allgemeinen Erwägungen heraus gehalten zu sein, entsprechende Bedenken an den Voraussetzungen des Deckungsschutzes möglichst frühzeitig vorzubringen. Andernfalls liefen sie Gefahr, sich diesen Einwand wegen des durchgreifenden Vorwurfes rechtsmissbräuchlichen Verhaltens abzuschneiden. So hat das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 20. März 2019, Az.: 7 U 8/18) entschieden, dass sich ein Versicherer auf die fehlende Aktivlegitimation des Klägers nicht mehr berufen kann, wenn er mit ihm außergerichtlich korrespondiert und in diesem Zusammenhang keinerlei Zweifel an der Aktivlegitimation geäußert hat:  

„Jedenfalls handelt die Beklagte aber rechtsmissbräuchlich, wenn sie die Aktivlegitimation des Klägers in Abrede stellt. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs des Versicherers kommt in Fällen der vorliegenden Art insbesondere dann in Betracht, wenn er schon vor Klageerhebung mit dem Versicherten korrespondiert hat und dadurch keinen Zweifel daran aufkommen ließ, sich trotz seiner anders lautenden Vertragsbedingungen auf eine Abwicklung des Schadensfalls mit dem Versicherten anstelle des Versicherungsnehmers einzulassen. Vor dem Hintergrund der widerspruchslos mit dem Bevollmächtigten des Klägers geführten vorgerichtlichen und dann auch gerichtlichen Korrespondenz handelt die Beklagte treuwidrig, wenn sie erstmals im Schriftsatz vom 14.06.2017, bei dem Landgericht eingegangen am 05.10.2017, den Einwand fehlender Aktivlegitimation erhebt. Er ist deshalb nicht zu berücksichtigen.“ 

Noch deutlicher äußert sich das Amtsgericht Köln (Urteil vom 17. März 2014, Az.: 142 C 118/13). In diesem Verfahren hatte die beklagte Rechtsschutzversicherung die Deckung für das erstinstanzliche Verfahren erteilt. Nachdem dieses verloren gegangen und die Deckung für die Berufung abgelehnt worden war, berief sie sich nun im Rahmen des Deckungsverfahrens erstmalig auf den Einwand der (unstreitig gegebenen) Vorvertraglichkeit. Hiermit dringt sie nach der überzeugenden Ansicht des Amtsgerichts nicht durch:

„Danach lag im vorliegenden Fall Vorvertraglichkeit vor.

Gleichwohl ist es dem Beklagten verwehrt sich in Hinblick auf die Kosten des Berufungsverfahrens auf die Vorvertraglichkeit zu berufen, da sie zuvor der Klägerin für die erste Instanz eine Deckungszusage erteilt hatte ohne sich auf die Vorvertraglichkeit zu berufen und damit einen Vertrauenstatbestand (§ 242 BGB) geschaffen hat. 

(…)

Die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ist ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, durch welche ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird. Durch sie werden Einwendungen und Einreden ausgeschlossen, die Rechtsschutzversicherer bei Abgabe der Zusage bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnen musste. Ausweislich des § 17 Abs. 2 Satz 1 ARB ist der Versicherer verpflichtet den Umfang des bestehenden Versicherungsschutzes zu bestätigen (…). Über den Wortlaut von § 17 Abs. 2 Satz 1 ARB hinaus muss die Ablehnung schriftlich erfolgen (…).Teilt der Rechtsschutzversicherer seinen Willen zur Ablehnung der Deckungszusage nicht unverzüglich mit, verliert er das Recht, sich auf fehlende hinreichende Erfolgsaussicht, Mutwilligkeit oder andere Ablehnungsgründe zu berufen (…). Der Rechtschutzversicherer legt sich somit bei Erteilung der Deckungszusage in der Bewertung der ihm bei Prüfung bekannten Umstände in dem Umfang fest wie er dies schriftlich niederlegt. Verbleiben ihm Zweifel hat er dies durch Vorbehalte zum Ausdruck zu bringen. 

Auf dieser Grundlage ist die Beklagte mit der Einwendung, dass der Rechtschutzfall vorvertraglich ist, vorliegend ausgeschlossen. Der Beklagten waren bei Erteilung der Deckungszusage für die erste Instanz alle Umstände bekannt, die für sie die Schlussfolgerung zuliessen, dass eine Vorvertraglichkeit vorlag. (…) 

An dieser Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass dem Rechtschutzversicherer bei einem durch mehrere Instanzen gehenden Rechtschutzfall für jede Instanz ein Prüfungsrecht zusteht (van Bühren/Plote/Hillmer-Möbius, § 17 ARB, Rn. 30). Dieses Prüfungsrecht gewährt dem Rechtschutzversicherer nach Auffassung der erkennenden Abteilung nicht die Möglichkeit, in jeder Instanz alle bereits bekannten aber bislang nicht erhobenen oder vorbehaltenen Einwendungen und Einreden neu zu erheben, vielmehr beschränkt sich dieses Prüfungsrecht auf die Bewertung der nunmehr eingetretene neue prozessuale Situation sowie zwischenzeitlich bekannt gewordener neuer Umstände und gewährt damit nur die Erhebung der sich hieraus ergebenden Einwendungen und Einreden. (…). Mit der dem Versicherungsnehmer in § 17 Abs. 1 lit c) aa) ARB auferlegten Verpflichtung vor der Einlegung von Rechtsmitteln die Zustimmung des Versicherers einzulegen, soll nicht die bereits zuvor nach § 17 Abs. 2 ARB erteilte Deckungszusage in Frage gestellt werden, sondern nur der Versicherer vor weiteren kostenauslösenden Maßnahmen in Bezug auf denselben Rechtsschutzfall geschützt werden, die gerade durch die neue Situation des für den Versicherungsnehmers negativen Ausgang des bisherigen Verfahrens entstehen können. Dass der Versicherer diese Prüfung nicht zum Anlass nehmen kann, vorher übersehene Einwendungen nunmehr zu erheben gebietet dabei der Vertrauensschutz, insbesondere der Grundsatz des Verbotes des widersprüchlichen Verhaltens. Der Versicherungsnehmer muss sich bei einem Rechtschutzfall Gewissheit verschaffen könne, in welchem Umfang seine Versicherung ihm bei der Führung des Verfahrens Deckungsschutz gewährt. Er kann erwarten, dass ihm alle vor Beginn einer Rechtsstreitigkeit der Versicherung bekannten Einwendungen und Einreden mitgeteilt werden, damit er sein Verhalten hierauf einstellen und die bei ihm verbleibenden (Kosten-) Risiken abschätzen kann. Wird ihm vorbehaltlos Deckungsschutz gewährt muss er davor geschützt werden, dass ihm eine Fortsetzung des Verfahrens nach für ihn negativen Abschluss der Instanz etwa aufgrund eines fehlerhaften Urteiles deswegen verwehrt wird, weil es bereits zuvor an den Voraussetzungen des Deckungsschutzes fehlte und er nunmehr auf eigene Kosten das fehlerhafte Urteil anfechten muss oder, weil er die Kosten nicht tragen kann, aufgeben muss. Würde man dem Versicherer also gestatten, die Fortführung des Rechtsstreites zum Anlass zu nehmen, den Deckungsschutz einer neuen umfassenden Prüfung zu unterziehen und die Prüfung nicht nur auf neue Umstände insbesondere die Erfolgsaussichten des konkreten Rechtsmittels zu beschränken, würde die einmal vorbehaltlos erteilte Deckungszusage in ihrem vertrauensstiftenden Wert für den Versicherungsnehmer ausgehölt; denn solange der Versicherungsnehmer befürchten muss, dass die Versicherung ihm trotz bestehender Erfolgsaussicht die Kostendeckung für ein Rechtsmittel gegen eine fehlerhafte Entscheidung versagt, wird er unter Umständen von vornherein auf die Wahrung seiner Rechte verzichten.“ 

Gleichwohl für die Einwände der primären Leistunsbegrenzungen eine ausdrückliche Präklusionsvorschrift fehlt, spricht v. a. die Schutzwürdigkeit des Versicherungsnehmers dafür, dass der Versicherer sämtliche an seiner Leistungspflicht Zweifel begründenden Einwände zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorzubringen hat, um mit ihnen im Gerichtsverfahren noch gehört zu werden.