OLG Celle zur Fristsetzungsklausel
Ein Urteil mit Folgen sprach vor Kurzem das OLG Celle (Urteil vom 22. September 2022, Az.: 8 U 336/21; BeckRS 2022, 26211), in dem es eine weitverbreitete Klausel in ARB für unwirksam hielt.
Zum Fall
Der dortige Kläger (ein Verbraucherschutzverband) machte gegen den beklagten Rechtsschutzversicherer Unterlassungsansprüche nach § 1 UKlaG geltend. Gegenstand war die Verwendung von aus Sicht des Klägers unwirksamen Klauseln in den ARB betreffend des dort geregelten Schiedsgutachterverfahrens. Konkret ging es um folgende Regelung(en) des § 3a ARB:
„(1) [...]
(2) Mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung ist der Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monates die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Versicherer verlangen kann. Mit diesem Hinweis ist der Versicherungsnehmer aufzufordern, alle nach seiner Auffassung für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb der Monatsfrist dem Versicherer zuzusenden. […]
(3) […]
(4) Schiedsgutachter ist ein seit mindestens fünf Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassener Rechtsanwalt, der von dem Präsidenten der für den Wohnsitz des Versicherungsnehmers zuständigen Rechtsanwaltskammer benannt wird. Dem Schiedsgutachter sind vom Versicherer alle ihm vorliegenden Mitteilungen und Unterlagen, die für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlich sind, zur Verfügung zu stellen.“
Das Landgericht gab der Klage hinsichtlich Abs. 2 S. 2 und Abs. 4 S. 1 und 2 statt und wies die Klage im Übrigen ab. Nachdem beide Parteien in Berufung gingen, hob das OLG Celle die erstinstanzliche Entscheidung auf und entschied genau andersherum.
Zur Entscheidung
Das OLG Celle entschied, dass die Regelung in § 3a Abs. 2 S. 1 ARB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB unwirksam sei. Nach der (im Versicherungsrecht stets vorzunehmenden) kundenfeindlichsten Auslegung sei die Klausel dahingehend auszulegen, dass es sich bei der Monatsfrist um eine Ausschlussfrist handle. Für den Versicherungsnehmer ergebe sich jedoch nicht, dass eine Fristversäumung zum Ausschluss der Möglichkeit zur Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens führe. Dem Wortlaut nach richte sich die Klausel nämlich ausschließlich an den Versicherer, sodass der Versicherungsnehmer nicht erkenne bzw. erkennen könne, dass sie eine für ihn nachteilige Regelung enthalte. Hierdurch entstehe die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer nicht wisse, welche Rechte er im Streitfall hat.
Aus §§ 128, 129 VVG ergebe sich hingegen kein Unterlassungsanspruch, so das OLG weiter. Selbst, wenn man (wie oben) von einer Ausschlussfrist ausgehe, stelle eine solche nicht per se eine (unzulässige) Abweichung im Sinne des § 129 VVG dar. Denn aus der Historie des § 128 VVG ergebe sich, dass „die konkrete Ausgestaltung des Gutachterverfahrens dem Versicherungsvertrag überlassen bleiben sollte“. Ob dies auch dann gelte, wenn die Frist zur Einleitung des Verfahrens unzumutbar kurz gewählt werde, hatte das OLG offengelassen, da es zumindest die hiesige Monatsfrist für nicht unzumutbar erachtete.
Die übrigen angegriffenen Klauseln beanstandete das OLG nicht. Dem § 3a Abs. 2 S. 2 ARB – der zwar ebenfalls eine Monatsfrist vorsieht – lasse sich eine Ausschlusswirkung schon nicht entnehmen. Demnach sei der Versicherungsnehmer nur gehalten, die nach seiner Auffassung wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb der Frist vorzulegen. Aus der rein subjektiven Einschränkung ergibt sich, dass eine Vorlage weiterer Unterlagen auch nach Ablauf der Frist möglich sei.
Auch § 3a Abs. 4 S. 1 ARB sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Auswahlkriterien für den Schiedsgutachter bewege sich die Regelung im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ausgestaltungspielraums. Durch § 3a Abs. 4 S. 2 ARB werde für den Versicherungsnehmer die Möglichkeit, auch nach Fristablauf dem Schiedsgutachter Unterlagen zur Verfügung zu stellen, nicht ausgeschlossen.
Das OLG hat die Revision zugelassen. Die Sache liegt mittlerweile beim Bundesgerichtshof.
Anmerkungen
Die Entscheidung überzeugt unserer Ansicht nach nur zum Teil.
Während die Ausführungen zu § 3a Abs. 4 ARB nachvollziehbar sind, dürfte die Revision des Klägers insbesondere hinsichtlich der Entscheidung gem. § 3a Abs. 2 S. 2. ARB erfolgsversprechend sein. Denn der Wortlaut der Regelung ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer (nach der kundenfeindlichsten Auslegung, die das OLG zumindest im Rahmen von Absatz 4 auch zu Grunde gelegt hatte) so zu verstehen, dass ihm nach Ablauf der Monatsfrist die Möglichkeit, weitere Unterlagen nachzureichen, abgeschnitten ist. Hieran ändert auch die rein „subjektive“ Einschränkung („alle nach seiner Auffassung“) nichts. Vielmehr erläutert das OLG, dass sich die Unwirksamkeit des § 3a Abs. 2 S. 1 ARB bereits aus dessen Unklarheit ergibt – entsprechendes Ergebnis wäre auch hier sachgerecht gewesen.
Aus der Entscheidung des OLG Celle lässt sich allerdings schließen, dass solche (hier nicht unmittelbar streitgegenständlichen) Fristsetzungsklauseln, die den totalen Verlust des Versicherungsschutzes bei Verfristung vorsehen, für den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligend und damit unwirksam sind. Es steht zu erwarten, dass auch solche Klauseln zukünftig im Rahmen eines Verbandsklageverfahren nach dem UKlaG überprüft werden.