LG Rottweil: zur Schadensersatzpflicht des Rechtsschutzversicherers

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LG Rottweil (Urteil vom 12. Mai 2023, Az.: 3 O 63/23)
Sofort realisiertes Rechtsschutzversprechen trotz Deckungsablehnung!

Mit Entscheidung vom 12. Mai 2023 hat das Landgericht Rottweil erstmals über eine von vielen derzeit anhängigen Klagen entschieden, in denen wir für unsere Mandanten über den "normalen" Antrag auf Feststellung der Deckungsverpflichtung im Abgasskandal hinaus auch die Feststellung der Erstattungspflicht künftiger Schäden wegen der zu Unrecht verweigerten Deckungsablehnung durchsetzen.

Unser Mandant hatte ursprünglich Deckung für eine beabsichtigte Klage im Abgasskandal angefragt. Nachdem der beklagte Versicherer selbige mehrfach - zuletzt nach einem durch uns erstellten Stichentscheid - abgelehnt hatte, schloss er mit einem externen Prozesskostenfinanzierer einen Vertrag zur Übernahme des Kostenrisikos der Hauptsache. Der Vertrag sieht eine marktübliche Beteiligung am Erlös des Klageverfahrens gegen den den Automobilhersteller vor. Diesen potenziellen Schaden muss der Versicherer nach dem Urteil des Landgericht Rottweil ersetzen, sofern die Hauptsache erfolgreich abgeschlossen und die Erlösbeteiligung fällig wird.  

Gleichzeitig war der Mandant nicht bereit, den ablehnenden Versicherer aus dessen Vertragspflicht zu entlassen. Aus diesem Grund wurde neben dem Schadensersatz auch die Feststellung der grundsätzlichen Deckungsverpflichtung verfolgt, zusammengefasst:

✔ Der Mandant erhält eine externe Prozessfinanzierung, mit der er seinen Anspruch in der Hauptsache sofort gerichtlich durchsetzen kann
✔ Im Gegenzug verpflichtet sich der Mandant, dem Finanzierer (im Erfolgsfall) eine marktübliche Erlösbeteiligung zu entrichten
✔ Parallel hierzu wird der Anspruch auf Erteilen der Deckungszusage gegen den pflichtwidrig handelnden Versicherer gerichtlich geltend gemacht
✔ Im Rahmen des Deckungsverfahrens wird auch die Feststellung begehrt, dass der Versicherer den (aufgrund der rechtswidrig verweigerten Deckungsablehnung verschuldeten) drohenden Schaden in Form der Erlösbeteiligung zu ersetzen hat.

Ergebnis: Der Mandant erhält eine Sofortfinanzierung seines Klageverfahrens und wird von den "Nachteilen" des Prozesskostenfinanzierungsvertrages in Form der Erlösbeteiligung freigestellt.
Er steht am Ende so, als hätte der Versicherer die Deckungszusage entsprechend seines Leistungsversprechens unverzüglich erteilt.

Die Klage hatte vollumfänglich Erfolg. Hinsichtlich des Schadensersatzantrages heißt es (auszugsweise):

"Das erforderliche Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch die Entstehung möglicher #Kosten durch den #Prozessfinanzierungsvertrag.
(...)
Der Klageantrag ist auch begründet.
Die Klagepartei hat aus § 280 Abs. 1 BGB dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz der Schäden, die ihr dadurch entstanden sind bzw. entstehen werden, dass die Beklagte trotz wirksamen #Stichentscheids keine Deckungszusage erteilt hat. Die Beklagte handelte insoweit pflichtwidrig und schuldhaft und ist deshalb dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet."

Die Entscheidung des Landgerichts ist konsequent und wirkt dem teilweise schematisch zu beobachtenden pflichtwidrigem Verhalten einiger Rechtsschutzversicherer entgegen. Diese setzen häufig auf Zeit und ziehen die Deckungszusage durch ein notwendiges Gerichtsverfahren in die Länge. Die hiermit verbundenen Verfahrenskosten scheinen die Versicherer hierbei nicht zu stören, jedenfalls überwiegen offenbar die durch den Zeitablauf gewonnen Vorteile (sicherere Rechtslage, geringere Streitwerte durch Nutzungsersatz) den Nachteilen eines Deckungsprozesses - sofern dieser überhaupt angestrengt wird.

Durch dieses parallele Vorgehen mit Hilfe eines Prozessfinanzierers in der Hauptsache muss der einzelne Versicherungsnehmer nun weder auf die vertraglich versprochene Versicherungsleistung verzichten, noch die Makel einer alternativen Finanzierung (Stichwort: Erlösbeteiligung) tragen.