LG Hannover: Prozessfinanzierungskosten als ersatzfähiger Schaden
Über die Frage, ob Rechtsschutzversicherer, die ihre Deckung (pflichtwidrig) verweigern, die Mehrkosten eines Prozessfinanzierungsvertrages tragen müssen, der eben wegen dieser weigerlichen Haltung abgeschlossen werden musste, haben mittlerweile eine Vielzahl der deutschen Instanzgerichte im Sinne der Versicherungsnehmer entschieden. Besonders nachdrücklich begründete nun das Landgericht Hannover in seinem Urteil vom 17. Oktober 2023 (2 O 19/23):
„Die Beklagte ist darüber hinaus auch verpflichtet, dem Kläger die Kosten hinsichtlich des alternativen Prozesskostenfinanzierungsvertrags zu ersetzen, die daraus resultieren, dass die Beklagte die mit dem Antrag zu 1 begehrte Deckungszusage nicht erteilt hat. Der Anspruch des Klägers folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2; 286 I 1, II Nr.3, 249 BGB i.V.m. §§ 1, 125 VVG i.V.m. dem Rechtsschutzversicherungsvertrag. Danach kann der Gläubiger Ersatz desjenigen Schadens verlangen, der dadurch entsteht, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, es sei denn, er hat diese nicht zu vertreten. Der entsprechende Versicherungsvertrag liegt zwischen den Parteien unstreitig vor. Daraus leitet sich die Verpflichtung des Versicherers ab, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers erforderlichen Leistungen in dem vereinbarten Umfang zu erbringen. Die Erteilung einer Deckungszusage gehört zu den Primärpflichten der Beklagten im Rahmen dieses Versicherungsverhältnisses. Dieser Pflicht aus dem Vertragsverhältnis ist die Beklagte durch die endgültige Versagung der Deckungszusage am 08.11.2021, spätestens aber mit der ablehnenden Haltung hinsichtlich der Bindungswirkung des Stichentscheids vom 25.11.2022 nicht nachgekommen (Anlage K6). Es kann dahinstehen, dass der Kläger die Feststellung des Anspruchs auf Erteilung einer entsprechenden Deckungszusage für die außergerichtliche und erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die BMW-AG aufgrund des Fahrzeugkaufs am 23.05.2017 gerade in diesem Prozess erst begehrt, denn nach den vorstehenden Ausführungen des Gerichts, können seinem Begehren hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden. Der Kläger stellte mit Schriftsatz vom 05.10.2021 die Deckungsanfrage bei der Beklagten, die diese mit Schreiben vom 08.11.2021 negativ beantwortete und dem Kläger den begehrten Deckungsschutz unter Verweis auf fehlende Erfolgsaussichten hinsichtlich der Rechtsverfolgung versagte. Spätestens zum Zeitpunkt des abgelehnten Stichentscheids im Sinne des § 17 Abs. 2 VRB hat die Beklagte eine Pflicht aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis verletzt. Wie von dem Kläger zutreffend dargestellt, folgt eine schadensersatzbegründende Pflichtverletzung im Übrigen auch aus dem Umstand, dass die Beklagte die Deckungszusage trotz nicht mehr vorliegender „Unverzüglichkeit (s.o.) nicht erteilt hat. Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte im Sinne des § 276 BGB auch zu vertreten und konnte sich nicht exkulpieren, vgl. § 280 I
2. Dem Kläger ist dadurch ein erstattungsfähiger Schaden entstanden. Unter Schaden wird ein Nachteil verstanden, der durch Minderung oder Verlust an materiellen oder immateriellen Gütern entsteht. Es handelt sich daher um eine unfreiwillige Vermögenseinbuße. Ein Schaden entsteht an einem Rechtsgut. Ein Rechtsgut ist das durch das Gesetz geschützte Interesse von Rechtspersonen oder Menschen, die sog. Individualrechtsgüter. Dass Interesse des Klägers, dass sein konkretes Vermögen, so wie es sich zusammensetzt, unversehrt bleibt (Integritätsinteresse), konnte dieser nur durch Abschluss des Prozesskostenfinanzierungsvertrags (Anlagensonderheft, Anlage K7) mit der Spreefels GmbH wahren. Dem Interesse des Klägers, dass er seine Schadensersatzansprüche in der Hauptsache kostenrisikofrei, das heißt ohne jegliche Gefährdung oder gar Einbuße seines eigenen Vermögens durchsetzen kann, wurde durch die Ablehnung der Deckungsanfrage durch die Beklagte nicht ausreichend Rechnung getragen. Wie vom Kläger zutreffend vorgetragen, stellt der Prozesskostenfinanzierungsvertrag kein Äquivalent zu dem Leistungsversprechen der Beklagten dar, da sich der Kläger durch Abschluss dieses Vertrages zur Abgabe einer marktüblichen Erlösbeteiligung in Höhe von 35% im Erfolgsfall verpflichtet hat. Ohne die Verweigerung der Deckungszusage (Pflichtverletzung) durch die Beklagte, hätte der Kläger den in Rede stehenden Vertrag zur Wahrung seiner Interessen gegen entsprechende Erlösbeteiligung nicht abschließen müssen.“
Dem soll an dieser Stelle nichts hinzugefügt werden müssen.