Erfolgsaussichten in der Rechtsschutzversicherung
Der wohl umstrittenste Ablehnungsgrund schlechthin ist die sog. mangelnde Erfolgsaussicht. Hierbei verweigert der Versicherer die Deckungszusage, weil die gewünschte Rechtsverfolgung nicht zum Erfolg führen kann. Doch wann liegen eigentlich hinreichende Erfolgsaussichten vor?
Da die Begrifflichkeit vollends der Formulierung aus § 114 ZPO entspricht, wird einhellig davon ausgegangen, dass die zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze im Kern übernommen werden können (vgl. BGH VersR 2003, 454). Dies hat zunächst zur Folge, dass die Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.12.2003, AZ.: 1 BVR 918/03). Mithin erschöpft sich die Erfolgsaussichtsprüfung auch im Rechtsschutzversicherungsbereich vielmehr in einer Art summarischen Prüfung.
Weiter ist maßgeblich, ob der Standpunkt des Versicherungsnehmers auf Grund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest vertretbar erscheint (vgl. BGH NJW 1994, 1161; 1988, 266). Ausreichend ist daher in jedem Falle, wenn die vom Versicherungsnehmer eingenommene Rechtsansicht zumindest in Literatur und/oder in Teilen der Rechtsprechung vertreten wird (so z.B. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2018, 154: Hinreichende Erfolgsaussicht folgt schon daraus, dass mehrere Landgerichte den Anspruch bejaht haben).
Weitergehend wird auch darauf abgestellt, ob die vom Gericht zu treffende Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt (BVerfG NJW 2013, 1727; 2004, 1789; BGH NJW 2015, 1020; VersR 2007, 966). Von solch schwierigen Rechts- oder Tatsachenfragen ist insbesondere dann auszugehen, wenn dem Fall wegen klärungsbedürftiger Fragen grundsätzliche Bedeutung zukommt (BVerfG NJW 2015, 2173; BGH VersR 2007, 966; NJW 2004, 2022). Hierunter fallen insbesondere Fallgestaltungen, bei denen die Revision zugelassen wurde bzw. wenn eine entscheidende Rechtsfrage höchstrichterlich (noch) nicht geklärt ist (OLG Celle, Urteil vom 03.03.2022, Az: 8 U 200/21).
Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten, kann auch die Darlegungslast der Parteien eine Rolle spielen. So können Erfolgsaussichten bereits impliziert sein, wenn den Anspruchsgegner im Prozess eine sekundäre Darlegungslast trifft und der Versicherungsnehmer mit Hinweis auf öffentlich zugängliche Quellen substantiiert die Deckungszusage einfordert (OLG Celle a.a.O m.w.N.)
In prozessualer Hinsicht ist noch darauf hinzuweisen, dass der Einwand der mangelnden Erfolgsaussichten zu den sog. sekundären Risikobegrenzungen gehört, für die der Versicherer beweispflichtig ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2021, Az: 12 U 296/20). Beruft sich der Versicherer auf diesen Einwand, obliegt es also ihm, gemessen an den obigen Maßstäben, darzulegen, dass keine Erfolgsaussichten bestehen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Schwelle der hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne eines Rechtsschutzversicherungsvertrags geringer ist, als es die Ablehnungsschreiben zunächst vermuten lassen. Ungeklärt ist indes die Frage, inwiefern ein Vergleichsverhalten des Anspruchgegners (unabhängig von der materiellen Rechtslage) Einfluss auf die Erfolgsaussichten haben kann. Hierzu – und zu den Erfolgsaussichten im Allgemeinen – empfehlen wir den Aufsatz von Horacek in VersR 2022, 15.