Abwehrdeckung nach geleisteter Zahlung?

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In der jüngeren Vergangenheit ist immer wieder zu beobachten, dass einige Versicherer bereits geleistete Zahlungen (insbesondere auf die Geschäftsgebühr) zurückfordern und mitteilen, man habe sich (nun) dazu entschieden, dem Anspruchsbegehren des Versicherungsnehmers durch Erteilen von Abwehrdeckung gegen die (beglichene) Gebührenforderung nachzukommen. Der Anwalt wird sodann darauf verwiesen, sich wegen der Durchsetzung seiner Gebühren an seinen Mandanten zu wenden.  

Was ist die „Abwehrdeckung“?

Der Begriff der Abwehrdeckung stammt aus dem Versicherungsrecht. Der Versicherungsnehmer hat gegen seinen Versicherer kein unbedingtes Recht darauf, dass der Versicherer sämtliche Kosten im Rahmen des Rechtsstreits zahlt. Der Anspruch auf Versicherungsschutz geht nur so weit, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer zusichert, diesen von sämtlichen Kosten freizustellen. Diese Freistellung kann – muss aber eben nicht – durch Zahlung auf bestimmte Rechnungen erfolgen. Andernfalls müsste der Versicherer auch auf überhöhte bzw. unbegründete Anwaltsrechnungen leisten, um diese Zahlungen in der Folge (unter voller Belastung mit dem Ausfallrisiko) wieder zurückzufordern. In der Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. April 2018, Az.: IV ZR 215/16) ist daher anerkannt, dass der Versicherer für all diese Ansprüche, die er für unbegründet hält, „Abwehrdeckung“ erteilen kann. Der Versicherungsnehmer kann sich auf diesem Weg risikofrei verklagen lassen: denn der Versicherer zahlt die Kosten des Gebührenverfahrens und verpflichtet sich, die in diesem Verfahren zugesprochenen Ansprüche ohne weiteren Einwand zu begleichen.  

Kritik an dem Modell der Abwehrdeckung wird vielfach und insbesondere aus der Anwaltschaft geäußert. Denn der Anwalt ist auf diesem Weg gezwungen, Klage gegen seinen eigenen Mandanten einzureichen. Diesem dann verständlich zu erläutern, dass der dann anzustrengende Rechtsstreit wirtschaftlich zwischen dem Versicherer und Rechtsanwalt, tatsächlich aber über den Schreibtisch des Mandanten ausgetragen wird, ist schwer und führt in der Praxis häufig zu einer Abstandnahme von einzelnen Forderungen.  

Abwehrdeckung nach Zahlung?

Auf die Ausgangssituation zurückkommend gilt daher Folgendes: Der Versicherungsnehmer hat gegen seinen Versicherer einen Anspruch auf Freistellung von den geforderten Anwaltskosten in Form von Zahlung oder Erteilen der Abwehrdeckung. Der Versicherer hat ein echtes Wahlrecht gem. § 262 BGB. Dieses hat er in den vorliegenden Konstellationen regelmäßig durch die geleistete Zahlung auf die Gebührenrechnung des Rechtsanwaltes mit einer doppelten Rechtsfolge (jdfls. Konkludent) ausgeübt: 

1. Zum einen erlischt der Freistellungsanspruch gem. § 362 Abs. 1 BGB

2, Zum anderen gilt die gewählte Erfüllungsart als die von Anfang an allein geschuldete, § 263 Abs. 2 BGB

Das erstmalige Ausübend es Wahlrechts kann unter Berücksichtigung der Gläubigerschutzgesichtspunkte nur unter engen Voraussetzungen wieder aufleben, etwa, wenn die geleistete Zahlung erfolgreich kondiziert werden kann, was unter anderem wg. § 814 BGB regelmäßig nicht gelingen kann.  

Zusammenfassend: Der Versicherer ist grundsätzlich nicht in der Lage, nachträglich (heißt: nach geleisteter Zahlung) Abwehrdeckung zu erteilen.