Alles rund um das Thema Rechtsschutz­versicherungsrecht

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Zum Eintritt des Rechtsschutzfalles im PKV-Mandat

Bereits am vergangenen Donnerstag (6. Oktober 2022) hat die Keen Law Rechtsanwalts GmbH im Eilrechtsschutzverfahren einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die ADAC Versicherung AG in München auf Grundlage des UKlaG eingereicht.  

Verfügungsklägerin ist der Verbraucherschutzverband Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V. (SfB). Gemeinsam mit dem SfB soll es der Verfügungsbeklagten untersagt werden, die örtliche Zuständigkeit in anhängigen Verfahren wegen Streitigkeiten über Rechtsschutzleistungen zu rügen.  

Sämtliche bekannten Vertragswerke des ADAC beinhalten eine Klausel, nach der es dem einzelnen Versicherungsnehmer ermöglicht werden soll, den ADAC vor jedem sachlich zuständigen (deutschen) Gericht in Anspruch zu nehmen. Entgegen diesem Vertragsversprechen haben die Prozessbevollmächtigten des ADAC die örtliche Zuständigkeit der angerufenen Gerichte, die nicht in München (§§ 12, 17 ZPO) oder im Gerichtsbezirk des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers (§ 215 VVG) liegen, unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel in Abrede gestellt.  

„Wer sich im Verbrauchervertragsbereich besonders versicherungsnehmerfreundlich geriert, soll sich auch an seinen Zusagen messen lassen. Der vorgeschobene Einwand der Unwirksamkeit der Klausel darf die verbraucherschutzwidrige Praktik des Versicherers nicht verschleiern. Wir freuen uns, mit der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V. einen starken verbandsklagebefugten Verbraucherschutzverband an unserer Seite gewonnen zu haben, um solche und ähnliche Verhaltensweisen auch zukünftig effektiv zu unterbinden.“
Dr. Tim Horacek, Rechtsanwalt (Keen Law)  

Aus unserer Sicht ist dieses Verhalten aus gleich mehreren Gründen als verbraucherschutzwidrige Praktik zu qualifizieren. Denn die betroffenen Versicherungsnehmer müssen nach vorgebrachter Rüge entweder das Risiko eines klageabweisenden Prozessurteils hinnehmen, oder den Rechtsstreit an das jedenfalls örtlich zuständige Gericht verweisen. Letztere Variante ist nicht nur mit einer erheblichen Verzögerung des Rechtsstreites, sondern auch mit der zwingenden Folge der Kostentragung (§ 281 ZPO) verbunden. Auf diesem Weg verhindert der ADAC eine effektive und schnelle Durchsetzung der Rechte der Versicherungsnehmer. Dies gilt umso mehr, als dass es dem ADAC auch ungeachtet der rechtlichen Wirksamkeit der Klausel ohne Weiteres möglich wäre, sich in der mündlichen Verhandlung rügelos einzulassen, oder den Rügeverzicht im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens wirksam zu erklären. Rechtsgründe hindern den ADAC an der Einhaltung seines Versprechens demnach nicht.

Der Vorstandsvorsitzende des Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V., Dr. Siegbert Bregenhorn zur Zusammenarbeit mit der Keen Law Rechtsanwalts Gmbh:

"Wie die Erfahrung lehrt, ist der Verbraucher - sei er Versicherungsnehmer, Anleger oder Bankkunde - häufig vom "Kleingedruckten" überrascht, wenn er zur Kasse gebeten wird oder auf welche Schwierigkeiten er stößt, um seinen Anspruch durchzusetzen.
Gegenüber den oft übermächtigen Organisationen hat man dabei als Einzelner im Regelfall keine Chance, sein Recht zu bekommen.
Nach dem Motto: "Vereint sind auch die Schwachen stark", besteht für Mitglieder in einem Schutzverein dagegen häufig eine reelle Chance, Ansprüche abzuwehren oder sein Recht durchzusetzen.
Obwohl sich der Gesetzgeber bereits seit 1896 für den Schutz der Verbraucher einsetzt, wird von Anbietern immer wieder gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden setzt sich seit über 20 Jahren für die Interessen ihrer Mitglieder und Verbraucher ein. Häufig bereits präventiv. Wo notwendig und eine gütliche Einigung nicht möglich ist, gehen wir mit qualifizierten und seriösen Anwaltskanzleien auch gerichtlich vor."
 

Berlin, den 11. Oktober 2022

 

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Ombudsmannverfahren - ein Überblick

Bereits am vergangenen Donnerstag (6. Oktober 2022) hat die Keen Law Rechtsanwalts GmbH im Eilrechtsschutzverfahren einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die ADAC Versicherung AG in München auf Grundlage des UKlaG eingereicht.  

Verfügungsklägerin ist der Verbraucherschutzverband Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V. (SfB). Gemeinsam mit dem SfB soll es der Verfügungsbeklagten untersagt werden, die örtliche Zuständigkeit in anhängigen Verfahren wegen Streitigkeiten über Rechtsschutzleistungen zu rügen.  

Sämtliche bekannten Vertragswerke des ADAC beinhalten eine Klausel, nach der es dem einzelnen Versicherungsnehmer ermöglicht werden soll, den ADAC vor jedem sachlich zuständigen (deutschen) Gericht in Anspruch zu nehmen. Entgegen diesem Vertragsversprechen haben die Prozessbevollmächtigten des ADAC die örtliche Zuständigkeit der angerufenen Gerichte, die nicht in München (§§ 12, 17 ZPO) oder im Gerichtsbezirk des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers (§ 215 VVG) liegen, unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel in Abrede gestellt.  

„Wer sich im Verbrauchervertragsbereich besonders versicherungsnehmerfreundlich geriert, soll sich auch an seinen Zusagen messen lassen. Der vorgeschobene Einwand der Unwirksamkeit der Klausel darf die verbraucherschutzwidrige Praktik des Versicherers nicht verschleiern. Wir freuen uns, mit der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V. einen starken verbandsklagebefugten Verbraucherschutzverband an unserer Seite gewonnen zu haben, um solche und ähnliche Verhaltensweisen auch zukünftig effektiv zu unterbinden.“
Dr. Tim Horacek, Rechtsanwalt (Keen Law)  

Aus unserer Sicht ist dieses Verhalten aus gleich mehreren Gründen als verbraucherschutzwidrige Praktik zu qualifizieren. Denn die betroffenen Versicherungsnehmer müssen nach vorgebrachter Rüge entweder das Risiko eines klageabweisenden Prozessurteils hinnehmen, oder den Rechtsstreit an das jedenfalls örtlich zuständige Gericht verweisen. Letztere Variante ist nicht nur mit einer erheblichen Verzögerung des Rechtsstreites, sondern auch mit der zwingenden Folge der Kostentragung (§ 281 ZPO) verbunden. Auf diesem Weg verhindert der ADAC eine effektive und schnelle Durchsetzung der Rechte der Versicherungsnehmer. Dies gilt umso mehr, als dass es dem ADAC auch ungeachtet der rechtlichen Wirksamkeit der Klausel ohne Weiteres möglich wäre, sich in der mündlichen Verhandlung rügelos einzulassen, oder den Rügeverzicht im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens wirksam zu erklären. Rechtsgründe hindern den ADAC an der Einhaltung seines Versprechens demnach nicht.

Der Vorstandsvorsitzende des Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V., Dr. Siegbert Bregenhorn zur Zusammenarbeit mit der Keen Law Rechtsanwalts Gmbh:

"Wie die Erfahrung lehrt, ist der Verbraucher - sei er Versicherungsnehmer, Anleger oder Bankkunde - häufig vom "Kleingedruckten" überrascht, wenn er zur Kasse gebeten wird oder auf welche Schwierigkeiten er stößt, um seinen Anspruch durchzusetzen.
Gegenüber den oft übermächtigen Organisationen hat man dabei als Einzelner im Regelfall keine Chance, sein Recht zu bekommen.
Nach dem Motto: "Vereint sind auch die Schwachen stark", besteht für Mitglieder in einem Schutzverein dagegen häufig eine reelle Chance, Ansprüche abzuwehren oder sein Recht durchzusetzen.
Obwohl sich der Gesetzgeber bereits seit 1896 für den Schutz der Verbraucher einsetzt, wird von Anbietern immer wieder gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden setzt sich seit über 20 Jahren für die Interessen ihrer Mitglieder und Verbraucher ein. Häufig bereits präventiv. Wo notwendig und eine gütliche Einigung nicht möglich ist, gehen wir mit qualifizierten und seriösen Anwaltskanzleien auch gerichtlich vor."
 

Berlin, den 11. Oktober 2022

 

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Pressemitteilung: Verbandsklage mit der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V.

Bereits am vergangenen Donnerstag (6. Oktober 2022) hat die Keen Law Rechtsanwalts GmbH im Eilrechtsschutzverfahren einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die ADAC Versicherung AG in München auf Grundlage des UKlaG eingereicht.  

Verfügungsklägerin ist der Verbraucherschutzverband Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V. (SfB). Gemeinsam mit dem SfB soll es der Verfügungsbeklagten untersagt werden, die örtliche Zuständigkeit in anhängigen Verfahren wegen Streitigkeiten über Rechtsschutzleistungen zu rügen.  

Sämtliche bekannten Vertragswerke des ADAC beinhalten eine Klausel, nach der es dem einzelnen Versicherungsnehmer ermöglicht werden soll, den ADAC vor jedem sachlich zuständigen (deutschen) Gericht in Anspruch zu nehmen. Entgegen diesem Vertragsversprechen haben die Prozessbevollmächtigten des ADAC die örtliche Zuständigkeit der angerufenen Gerichte, die nicht in München (§§ 12, 17 ZPO) oder im Gerichtsbezirk des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers (§ 215 VVG) liegen, unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel in Abrede gestellt.  

„Wer sich im Verbrauchervertragsbereich besonders versicherungsnehmerfreundlich geriert, soll sich auch an seinen Zusagen messen lassen. Der vorgeschobene Einwand der Unwirksamkeit der Klausel darf die verbraucherschutzwidrige Praktik des Versicherers nicht verschleiern. Wir freuen uns, mit der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V. einen starken verbandsklagebefugten Verbraucherschutzverband an unserer Seite gewonnen zu haben, um solche und ähnliche Verhaltensweisen auch zukünftig effektiv zu unterbinden.“
Dr. Tim Horacek, Rechtsanwalt (Keen Law)  

Aus unserer Sicht ist dieses Verhalten aus gleich mehreren Gründen als verbraucherschutzwidrige Praktik zu qualifizieren. Denn die betroffenen Versicherungsnehmer müssen nach vorgebrachter Rüge entweder das Risiko eines klageabweisenden Prozessurteils hinnehmen, oder den Rechtsstreit an das jedenfalls örtlich zuständige Gericht verweisen. Letztere Variante ist nicht nur mit einer erheblichen Verzögerung des Rechtsstreites, sondern auch mit der zwingenden Folge der Kostentragung (§ 281 ZPO) verbunden. Auf diesem Weg verhindert der ADAC eine effektive und schnelle Durchsetzung der Rechte der Versicherungsnehmer. Dies gilt umso mehr, als dass es dem ADAC auch ungeachtet der rechtlichen Wirksamkeit der Klausel ohne Weiteres möglich wäre, sich in der mündlichen Verhandlung rügelos einzulassen, oder den Rügeverzicht im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens wirksam zu erklären. Rechtsgründe hindern den ADAC an der Einhaltung seines Versprechens demnach nicht.

Der Vorstandsvorsitzende des Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V., Dr. Siegbert Bregenhorn zur Zusammenarbeit mit der Keen Law Rechtsanwalts Gmbh:

"Wie die Erfahrung lehrt, ist der Verbraucher - sei er Versicherungsnehmer, Anleger oder Bankkunde - häufig vom "Kleingedruckten" überrascht, wenn er zur Kasse gebeten wird oder auf welche Schwierigkeiten er stößt, um seinen Anspruch durchzusetzen.
Gegenüber den oft übermächtigen Organisationen hat man dabei als Einzelner im Regelfall keine Chance, sein Recht zu bekommen.
Nach dem Motto: "Vereint sind auch die Schwachen stark", besteht für Mitglieder in einem Schutzverein dagegen häufig eine reelle Chance, Ansprüche abzuwehren oder sein Recht durchzusetzen.
Obwohl sich der Gesetzgeber bereits seit 1896 für den Schutz der Verbraucher einsetzt, wird von Anbietern immer wieder gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden setzt sich seit über 20 Jahren für die Interessen ihrer Mitglieder und Verbraucher ein. Häufig bereits präventiv. Wo notwendig und eine gütliche Einigung nicht möglich ist, gehen wir mit qualifizierten und seriösen Anwaltskanzleien auch gerichtlich vor."
 

Berlin, den 11. Oktober 2022

 

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Warteobliegenheit bis zur EuGH/BGH-Entscheidung

Aus aktuellem Anlass relevant ist die Frage nach einer aus dem Gesetz oder den vertraglichen Bestimmungen (ARB) resultierenden Warteobliegenheit des Versicherungsnehmers und die an diese zu stellenden Anforderungen. Dabei geht es darum, ob der Versicherungsnehmer vor dem Auslösen einzelner kostenbehafteter Maßnahmen (insbesondere: Klageerhebung) die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung oder den Verlauf eines vermutet vergleichbaren Verfahrens abzuwarten hat. Derzeit besteht eine große Unsicherheit bei Versicherern, Versicherungsnehmern und Prozessbevollmächtigten dahingehend, ob etwa die (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrages noch nicht terminierte) Entscheidung des EuGH zur Rechtssache C-100/21 in diesem Sinne “abzuwarten” ist. 

Dieses Thema soll in gebotener Kürze dogmatisch aufbereitet dargestellt werden:  

Warteobliegenheit aus § 82 Abs. 1 VVG? 

Aus § 82 Abs. 1 VVG ergibt sich unmittelbar, dass „der Versicherungsnehmer […] bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen [hat]“.
Zentraler Inhalt dieser Regelung ist es, bei Eintritt des Versicherungsfalles die gebotenen und zumutbaren Maßnahmen zur Minderung des Schadens unverzüglich und mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in der Weise zu ergreifen, wie es eine vernünftig denkende, nicht versicherte Person in der Lage des Versicherungsnehmers tun würde.
Damit scheint es für einige Versicherer naheliegend, eine unmittelbare Warteobliegenheit direkt aus der Vorschrift des § 82 Abs. 1 VVG abzuleiten. Die ganz herrschende Meinung verneint dies allerdings. So hat etwa das OLG München (Urteil v. 25.11.2020, Az.: 15 U 2415/20) klargesellt, dass sich die Abwehr- und Minderungsobliegenheit von Schäden gem. § 82 Abs. 1 VVG nur auf solche tatsächlicher, nicht aber auf solche rechtlicher Art bezieht. Der Versicherungsnehmer ist „lediglich“ aufgefordert, den entstandenen Schaden am Streitgegenstand selbst, aber nicht die Schadenbehebungskosten (hier: Kosten der Rechtsverfolgung) gering zu halten. 

Der BGH und die in den ARB vereinbarte Warteobliegenheit 

Um dieser Gesetzesauslegung entgegenzutreten, haben die Versicherer in der Vergangenheit verschiedene, nicht unmittelbar aus § 82 Abs. 1 VVG folgende Obliegenheiten (unter anderem eine Warteobliegenheit mit Blick auf nicht präjudizielle Verfahren) konkret in ihren ARB normiert. Eine entsprechende Vereinbarung ist grundsätzlich zulässig, solange an den Versicherungsnehmer keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
Die vorangesprochene und durchaus sehr differenziert ausgestaltete Regelung wurde vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14. August 2019, Az.: IV ZR 279/17 kassiert.  Der Umfang einer vereinbarten allgemeinen Warteobliegenheit sei intransparent, da der konkrete Handlungsumfang für den Versicherungsnehmer unklar blieb. Darüber hinaus wurde dem Versicherungsnehmer in unzumutbarer Weise abverlangt, sich mit einer Vielzahl an (Kosten-)Rechtsfragen aus dem GKG und RVG auseinanderzusetzen, um der Klausel entsprechend zu handeln.  

Die Entscheidung des Bundesgerichtshof verdeutlicht im Umkehrschluss, dass sich auch aus der (deutlich allgemeiner gehaltenen) allgemeinen Obliegenheitsklausel des § 82 Abs. 1 VVG keine originäre Warteobliegenheit für den Versicherungsnehmer ergeben kann.  

Dogmatischer Anknüpfungspunkt: Weisungsrecht des Versicherers, § 82 Abs. 2 VVG 

Ungeachtet dessen, ist es dem Versicherer unbenommen, seinen Versicherungsnehmer gem. § 82 Abs. 2 VVG – auch zum Abwarten bestimmter Gerichtsentscheidungen – anzuweisen.
Im Rahmen einer solchen Weisung muss der Versicherungsnehmer in die Lage versetzt werden, selbst einschätzen zu können, ob die Weisung für ihn zumutbar ist. Hierfür ist es notwendig, dass der Versicherer den durch das Abwarten gewonnen Vorteil (etwa ggf. ersparte Verfahrenskosten) aufzeigt und für den verständigen und bemühten Versicherungsnehmer nachvollziehbar aufschlüsselt. Außerdem muss der Versicherer darlegen, weshalb das Nachkommen der Weisung den Versicherungsnehmer in seinen Interessen nicht unbillig benachteiligt. 

Kommt die Weisung diesen formalen Anforderungen inhaltlich nach, ist in materieller Hinsicht zu untersuchen, ob sie dem Versicherungsnehmer auch tatsächlich zuzumuten ist. Dies scheint bei noch nicht terminierten oder sich erst in ferner Zukunft abzeichnenden „Leitentscheidungen“ zumindest fraglich. Jedenfalls im Dieselskandal dürfte mit Blick auf den, den Anspruch aufzehrenden Nutzungsersatz von einer Unzumutbarkeit ausgegangen werden, wenn die erwartete Entscheidung nicht in den kommenden Tagen, sondern erst nach Wochen oder Monaten ergehen wird. 

Die aktuelle Problematik der ausstehenden Entscheidung des EuGH zur Rs. C-100/21 

Nach den Schlussanträgen des Generalanwaltes Rantos vom 2. Juni 2022 steht zu erwarten, dass sich die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Frage des Drittschutzes der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV i. V. m. Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG und insbesondere die Annahme eines Acte-Clair ändern wird. Sollte sich der EuGH in dem vom LG Ravensburg (Vorlagebeschl. v. 12.2.2021 – 2 O 393/20) zur Vorabentscheidung vorgelegten Verfahren den Ausführungen des Generalanwaltes anschließen, steht nach der überwiegenden Auffassung der einzelnen OLGe zu erwarten, dass auch der BGH einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, beziehungsweise der §§ 6, 27 EG-FGV wegen des fahrlässigen Verbauens einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegen die Automobil- und/oder Motorenhersteller zusprechen wird. 

Zusammenfassend: 

Eine Warteobliegenheit des Versicherungsnehmers ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus (wirksamen) Rechtsschutzbedingungen. Möglich wäre allenfalls eine entsprechend auskonkretisierte und zumutbare Weisung nach § 82 Abs. 2 VVG, die der Versicherer direkt an den Versicherungsnehmer zu richten hat. F
Für die anstehende Rechtsprechungsänderung des BGH wegen der EuGH-Rechtssache C-100/21 verbleibt es jedenfalls bis zur Terminierung der europarechtlichen Entscheidung dabei, dass Deckung angesichts der sich wieder als offen zeigenden Rechtslage zu erteilen ist. Ob im Juni/Juli/August/September/Oktober erteilte Weisungen, die noch nicht angesetzte und frühestens für den Spätherbst erwartete Entscheidung abzuwarten, angesichts des steigenden Nutzungsersatzes als zumutbar und damit verbindlich zu werten sind, wird gerichtlich zu klären sein. 

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LG Berlin

LG Berlin: Vorabentscheidungsverfahren und der Deckungsprozess

Knapp vier Monate ist es mittlerweile her, dass sich der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Rantos in der Rechtssache C-100/21 in seinen Schlussanträgen verbraucherfreundlich positioniert und dafür plädiert hat, die Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 dahingehend auszulegen, dass sie auch dem Schutz von Käufern eines Fahrzeugs dienen, sofern der Hersteller Fahrzeuge in den Verkehr bringt, die nicht in Übereinstimmung mit ihrem genehmigten Typen bzw. den für ihren Typ geltenden Rechtsvorschriften stehen.
Ob bzw. inwiefern die im Juni 2022 veröffentlichten Schlussanträge bzw. das Vorlageverfahren als Solches auf die Erfolgsaussichtenprüfung Einfluss zu nehmen vermag, wenn der Europäische Gerichtshof selbst noch kein Urteil gefällt hat, haben wir bereits in unserem Blogbeitrag vom 3. August 2022 berichtet.
Diesen Beitrag vertiefen wir an dieser Stelle unter Anführung eines aktuellen durch uns erstrittenen Urteils vor dem Landgericht Berlin (vom 22. September 2022, Az.: 23 O 132/21). In dem dortigen Sachverhalt ging es um einen Deckungsanspruch bzgl. eines Autokreditwiderrufes. Die Beklagte Rechtsschutzversicherung lehnte mit Schreiben vom 14. April 2021 die Deckung für die Berufung unter dem Verweis ab, das erstinstanzliche Gericht habe die Kriterien des BGH für ein Greifen des Treuwidrigkeitsweinwandes korrekt angewendet.  

Erst im September 2021 beantwortete der Europäische Gerichtshof die durch das Landgericht Ravensburg mit Entscheidung vom 5. März 2020 vorgelegten Verfahren (dortige Az.: 2 O 328/19, 2 O 280/19 und 2 O 334/19), die sich mit der Rechtsmissbräuchlichkeit des Verbraucherkreditvertragswiderrufs beschäftigte.
Nach Ansicht des Landgerichts Berlin steht eine eindeutige (ablehnende) BGH-Rechtsprechung den hinreichenden Erfolgsaussichten während eines schwebenden Vorabentscheidungsverfahren nicht entgegen: 

 „Zwar kann sich der Kläger nicht unmittelbar auf die im Tatbestand genauer bezeichnete Entscheidung des EuGH vom 9.9.2021 berufen. Bei der Prüfung, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht hat, ist auf den – hier bereits am 14.4.2021 liegenden – Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.12.2016 – 12 U 106/16).
Daraus, dass die EuGH-Entscheidung erst nach dem 14.4.2021 datiert, ist indes nicht zu schließen, dass europarechtliche Bedenken gegen einen Ausschluss des Widerrufsrechts aus Erwägungen nach § 242 BGB nicht bereits vorher vertretbar waren. Zwar sah der BGH selbst von einer Vorlage gegenüber dem EuGH ab, weil der Rechtsmissbrauchseinwand eine nach rein nationalem Recht zu beantwortende Frage sei. Dass jedoch bei einer durch eine europäische Richtlinie angestrebten Vollharmonisierung die nationalen Gerichte daran gehindert sein können, an einer Rechtsprechung festzuhalten, die mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel nicht in Einklang steht, hatte der EuGH zu diesem Zeitpunkt bereits in anderem Zusammenhang entschieden (vgl. zur RL 2002/65, EuGH, Urteil vom 11.9.2019 – C-143/18, Rn. 34 ff; zitiert nach: NJW 2019, 3290). Auch Erwägungsgrund 9 der vorliegend maßgeblichen Richtlinie 2008/48/EG sieht eine Vollharmonisierung vor.“ 

Anmerkungen 

Dem Landgericht zu Folge, ist eine existente und sich immer wieder bestätigende BGH-Rechtsprechung während eines laufenden Vorabentscheideverfahrens insofern bemäkelt, als dass sich das Vorabentscheideverahren auf eine europäische Richtlinie bezieht, die eine Vollharmonisierung anstrebt. Selbiges ist bei der im Dieselskandal derzeit in Streit stehenden Richtlinie 2007/46/EG der Fall (vgl. dortige Erwägungsgründe).
Damit bekräftigt auch das Landgericht Berlin, dass bei der Prüfung der Erfolgsaussichten im Deckungsstreit nicht allein auf die Leitjudikatur des Bundesgerichtshofs abgestellt werden darf – insbesondere, wenn die europarechtlichen Fragestellungen dem Europäischen Gerichtshof bereits vorgelegt worden sind.  

 

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AG Stuttgart

AG Stuttgart: Deckungspflicht § 852 BGB (gebraucht&markenfremd)

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OLG Celle

OLG Celle: Fahrlässigkeit und Schaden i. R. d. § 823 Abs. 2 (Rantos)

Die Schlussanträge des Generalanwaltes beim Europäischen Gerichtshofes Rantos (Rechtssache C-100/21) lassen geschädigte Verbraucherinnen und Verbraucher wieder hoffen (vgl. Prof. Heese „Rom liegt nicht in Karlsruhe“).  

In Erwartung des Urteils aus Luxemburg und der Reaktion aus Karlsruhe reagieren die Gerichte vielerorts unterschiedlich. Teils werden Verfahren ausgesetzt, teils wird weiträumig terminiert, oder „wenigstens“ die Revision zugelassen. Vereinzelt werden Klagen weiterhin unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgewiesen – obgleich dieser die eigenen Verfahren derzeit zurückstellt. In einigen abweisenden Entscheidungen finden sich – ebenso wie in den vorangegangenen Schriftsätzen der Automobilvertreter und denen der Rechtsschutzversicherer – rechtliche Ausführungen dahingehend, die (unterstellt) drittschützenden europarechtlichen Normen zielten in ihrer Zweckrichtung jedenfalls nicht auf das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht der Käufer ab. Daher fehle es an einem kausalen Schaden. Weiter fokussiert sich die Verteidigungslinie in diesen Verfahren auf den Einwand, den Automobilherstellern sei kein schuldhaftes (fahrlässiges) Verhalten vorzuwerfen, da der Verbau der unzulässigen Abschalteinrichtungen (in der Regel und in concreto: Thermofenster) den Rechtsnormen nicht offenbar zuwiderläuft.  

Dem tritt das OLG Celle in zwei Aussetzungsbeschlüssen vom 17. August 2022 (Az.: 7 U 148/22) und vom 23. August 2022 (Az.: 7 U 172/21) entgegen.  

So heißt es im ersten Beschluss:

„Nach der mit Pressemitteilung vom 1. Juli 2022 im Verfahren Vla ZR 335/21 verlautbarten Rechtsauffassung des BGH, der sich der Senat anschließt, hat die anstehende Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21 möglicherweise Folgerungen für das deutsche Haftungsrecht, soweit Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sein sollten, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen.  

(…) 

Damit hat die Entscheidung des EuGH auch für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Bedeutung (…). 

Dem steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass der BGH durch Entscheidung mehrerer Senate bislang die Auffassung vertreten hat, die in § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV umgesetzten Vorschriften der vorgenannten Richtlinie bezweckten nicht den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer von Kraftfahrzeugen und dienten damit nicht deren Interessen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 12 ff.), (…).  

Denn wie sich aus der oben angegebenen Pressemitteilung des BGH vom 1. Juli 2022 ergibt, hält der BGH an dieser rechtlichen Beurteilung ganz offensichtlich nicht mehr ohne weiteres fest. Dabei dürfte auch auszuschließen sein, dass sich der BGH den von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit gegen eine Aussetzung angeführten Argumenten — so u.a. der fehlenden Bindungswirkung und vermeintlich nicht vorhandenen Überzeugungskraft der Schlussanträge des Generalanwalts, dem angeblich mangelnden Willen des Verordnungsgebers, der EG-FGV eine Schutzwirkung für den einzelnen Fahrzeugerwerber beimessen zu wollen, der Frage der Korrelation einer auf bloße Fahrlässigkeit gestützten Haftung für Vermögensschäden mit deutschem Gewährleistungs- und Deliktsrecht sowie der Problematik, ob sich ein auf Rückabwicklung gerichteter Schadensersatzanspruch überhaupt auf § 823 Abs. 2 BGB (i.V.m. entsprechenden Schutzgesetzen) stützen lässt — zum Zeitpunkt der o.g. Pressemitteilung nicht gewahr gewesen wäre und diese dementsprechend nicht berücksichtigt hätte.“ 

 

In dieser Entscheidung stellt der Senat noch recht allgemein heraus, der Bundesgerichtshof gehe offensichtlich nicht ohne Weiteres von einem fehlenden Schaden oder einem nicht nachzuweisenden Verschulden aus, da er der anstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes anderenfalls kein derart hohes Gewicht beigemessen hätte.
In dem nur wenige Tage später ergangenen zweiten Aussetzungsbeschluss setzt sich das OLG dann noch konkreter mit den beiden Tatbestandsmerkmalen auseinander. So schreibt er zum wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrecht:  

Die von der Beklagten vorgebrachten Einwände sprechen nach der Bewertung des Senats nicht gegen eine Aussetzung. Das gilt insbesondere für die Erwägung, eine etwaige Schutzgesetzverletzung könne den hier geltend gemachten Anspruch auf Rückabwicklung nicht tragen, denn dies ist gerade die Rechtsfrage, deren Beantwortung abzuwarten ist. Nach den Schlussanträgen von Generalanwalt Rantos schützen die genannten Vorschriften insbesondere das Interesse eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der VerordnungNr. 715/2007 ausgestattet ist. 

Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein derartiges Interesse einen Anspruch auf „Rückabwicklung“ des Fahrzeugkaufvertrages gegen den Fahrzeughersteller begründen könnte. 

Bezüglich des Verschuldens führt der Senat aus: 

„Anders als die Beklagte meint, scheidet ihre Haftung nicht deshalb aus, weil ihr ein schuldhaftes (fahrlässiges) Verhalten nicht zur Last gelegt werden könnte.  

(…) 

Die Haftung wegen Fahrlässigkeit ist nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 — XI ZR 418/13, juris Rn. 14 allg. zu § 276 BGB; Urteil vom 30. Mai 1972 — VI ZR 6/71, juris Rn. 29; Urteil vom 12. Mai 1992 — VI ZR 257/91, juris Rn. 20 jew. zum Deliktsrecht). Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt voraus, dass die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2005 — III ZR 264/04, juris Rn. 19). Auch wenn es sich bei der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung um einen dem Kraftfahrtbundesamt bekannten Industriestandard gehandelt hatte, betrifft dies nur die Technologie als solche, besagt aber nichts über die Zulässigkeit der konkreten Ausgestaltung im Einzelfall.“  

Das Oberlandesgericht arbeitet nachvollziehbar und überzeugend heraus, dass sowohl die Frage des Schadens als auch das Feststellen des Verschuldens im Hauptsacheverfahren einer eingehenden bedarf, sofern der Europäische Gerichtshof den Schlussanträgen des Generalanwaltes folgen sollte.
Für Deckungsverfahren bedeutet dies, dass in Erwartung der Entscheidung des EuGH für beide Fragestellungen wenigstens eine offene Rechtslage besteht, weswegen der Deckungsschutz für solche Verfahren in jedem Fall zu gewähren ist. Denn bei der Prüfung der Erfolgsaussichten reicht es aus, wenn wenigstens ein Oberlandesgericht die Rechtsauffassung des Versicherungsnehmers dergestalt stützt und für vertretbar bzw. untersuchungspflichtig hält, wie das OLG Celle es vorliegend tut.  

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BGH

BGH: Keine erzwungene Urteilsabwicklung durch Titelschuldner

Mit der Entscheidung des BGH (Urteil vom 25.07.2022, Az.: VIa ZR 485/21) findet eine weitere Rechtsfrage im Komplex des Abgasskandals eine höchstrichterliche Antwort – auf die einige Kollegen und Kolleginnen gewartet hatten: 

Kann der verurteilte Automobilhersteller von sich aus auf eine Abwicklung des Urteils beharren? 

Zum Sachverhalt 

Der nun beklagte Fahrzeugerwerber erwirkte ursprünglich ein Urteil, in dem die jetzt klagende Fahrzeugherstellerin zur Zahlung von 420,00 EUR (nebst Zinsen) Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt worden war. Daraufhin überwies die Fahrzeugherstellerin den tenorierten Urteilsbetrag, ohne, dass von Seiten des Erwerbers eine Aufforderung dahingehend ausgesprochen oder gar die Zwangsvollstreckung angestrengt wurde.  

Die ursprünglich beklagte Fahrzeugherstellerin erhob nun Klage gegen den Erwerber auf Herausgabe des (Zug-um-Zug zu leistenden) Fahrzeuges. Hiermit hatte sie (im Folgenden: die Klägerin) erstinstanzlich auch Erfolg.
Der Fahrzeugerwerber (im Folgenden: der Beklagte) veräußerte während des laufenden Berufungsverfahrens das Fahrzeug weiter und erstattete auch den Betrag (420,00 EUR) nicht an die Klägerin zurück.
Als Reaktion auf den mitgeteilten Weiterverkauf stellte die Klägerin ihren Antrag um und verlangte die Herausgabe des Veräußerungserlöses in Höhe von 5.500,00 EUR. Auch das Berufungsgericht bejahte einen Anspruch der Klägerin und führte insoweit aus, dass sich aus dem vom hier Beklagten erwirkten Titel (zumindest nach vollständiger Erfüllung des Schadensersatzanspruches, hier: Zahlung von 420,00 EUR) auch ein eigener Anspruch auf Herausgabe der Zug-um-Zug-Leistung ergäbe. Dieser bestehe nunmehr – nach Weiterveräußerung des Fahrzeugs – darin, dass der Verkaufserlös nach § 285 BGB i. V. m. § 255 BGB analog herauszugeben sei. 

Die Entscheidung 

Dieser Entscheidung folgte der Bundesgerichtshof (VIa ZR 485/21) nicht. In Fällen wie dem Vorliegenden stehe dem Schädiger (der Klägerin) als Titelschuldner kein eigener Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung beschränkten lediglich die Schadensersatzanspruch des Geschädigten, vermitteln der Titelschuldnerin hingegen keinen eigenen Anspruch. Denn Sinn und Zweck dieser Vorteilsausgleichung erfordere, so der BGH, ausschließlich die Begrenzung des Schadensersatzes in seinem Umfang – nicht hingegen jedoch die Begründung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses mit wechselseitigen Leistungspflichten. 

Diese bereits zuvor vom BGH vertretene Ansicht, gelte auch in der hiesigen Fallgestaltung. Eine abweichende Entscheidung vermögen auch die Regelungen des Annahmeverzugs oder die die Vollstreckung betreffenden §§ 756, 765 ZPO nicht zu begründen. So seien die §§ 293 ff. BGB nicht geeignet, ein mit wechselseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten oder gar synallagmatisches Schuldverhältnis zu begründen. Auch ist der Vollstreckungsschuldner – anders als das Berufungsgericht argumentiert hatte – im Falle einer Vollstreckung nach §§ 756, 765 ZPO nicht rechtlos gestellt, wenn er selbst keinen Anspruch auf die Zug-um-Zug-Leistung hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Schädiger den vorgesehenen Urteilsbetrag freiwillig gezahlt hat, denn insoweit stehe ihm nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ein Bereicherungsanspruch zu, wobei weder die §§ 293 ff. BGB noch die §§ 756 765 ZPO einen Rechtsgrund darstellten.  

Hinsichtlich einer möglichen Rückzahlung der bereits ausgekehrten 420,00 EUR hatte der BGH nicht zu entscheiden, da ein etwaiger bereicherungsrechtlicher Anspruch nicht streitgegenständlich war. 

Anmerkungen 

Die Entscheidung ist im Ergebnis vollends überzeugend. Der BGH erläutert nachvollziehbar, dass es der verurteilten Schädigerin an einer Anspruchsgrundlage fehlt, um die Zug-um-Zug-Leistung selbst fordern zu können. Es obliegt allein dem Fahrzeugkäufer als Geschädigten zu entscheiden, ob er die Urteilsabwicklung tatsächlich wünscht oder aufgrund eines geringen austitulierten Betrages darauf verzichtet. Die Titelschuldnerin ist weder Herrin der Zwangsvollstreckung noch kann sie diese durch faktisches Handeln herbeiführen.  

Zahlt sie den austenorierten Betrag ohne Aufforderung, kommt ihr aber ggf. Bereicherungsrechtlicher Rückerstattungsanspruch zu Gute. 

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Keen Law

Anforderungen an einen Stichentscheid (Berufung)

Das Stichentscheids-Verfahren stellt ein immer wiederkehrendes und für den ein oder anderen Bearbeiter zuweilen wohl auch leidvolles Thema dar. Um etwas Licht ins Dunkle zu bringen haben wir uns bereits in vergangenen Beiträgen mit den Anforderungen, die an einen Stichentscheid zu stellen sind, beschäftigt. An dieser Stelle soll der Blick auf eine bislang noch nicht beleuchtete Konstellation gerichtet werden: den Stichentscheid für das Berufungsverfahren.  

In diesem Verfahrensstadium befinden sich aktuell zahlreiche Verfahren der zweiten Klagewelle des Diesel-Abgasskandals. Viele Versicherer zeigen sich (soweit kaum verwunderlich) nach einem Unterliegen in erster Instanz nicht im Besonderen motiviert, auch das Risiko des Berufungsverfahren zu übernehmen und wenden auch hier regelmäßig die mangelnden Erfolgsaussichten ein. Nicht zuletzt diese Erkenntnisse aus dem Tagesgeschäft sollen Anlass bieten, um sich mit den Besonderheiten des Stichentscheidverfahrens im Rahmen der Berufung auseinander zu setzen. 

Das Grundgerüst bleibt gleich 

Wie auch in jedem anderen Verfahrensstadium gilt zunächst, dass der Stichentscheid eine von der Interessenvertretung losgelöste Beurteilung der Sach- und Rechtslage darstellt. Im grundlegenden Aufbau unterscheidet sich der für ein erstinstanzliches Vorgehen angefertigte Stichentscheid nicht von einem solchen, der die Erfolgsaussichten einer Berufung zu beurteilen hat. D. h., dass der entscheidungserhebliche Streitstoff darzustellen und anzugeben ist, inwieweit für bestrittenes Vorbringen Beweis oder Gegenbeweis angetreten werden kann. Darüber hinaus sind die sich ergebenden Probleme unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Rechtslehre herauszuarbeiten.  

Erweiterte Anforderungen im Berufungsverfahren

Auf den ersten Blick schiene es ausreichend, aufzuzeigen, wie das erstinstanzliche Urteil angegriffen werden kann. Demnach wären vor allem Rechts- und Verfahrensfehler darzulegen. Allein dieser Maßstab käme den tatsächlichen Anforderungen im Berufungsverfahren aber nicht gerecht. Der Anwalt muss über die nach seiner Einschätzung vorliegenden Rechtsfehler hinaus auch darlegen, dass bei Vermeidung der in seiner Stellungnahme zuvor aufgezeigten Fehler eine Abänderung des Urteils zu Gunsten des Versicherungsnehmers erfolgen müsste (so OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.03. 2015, Az.: 7 U 24/14). 

Trotzdem reicht es nach den allgemeinen Anforderungen auch hier, wenn sich der Stichentscheid “nur” auf die Punkte bezieht, auf die der Rechtsschutzversicherer zuvor die Deckungsablehnung gestützt hat. Diese bildet nach wie vor den Prüfungsmaßstab für das anzustellende Gutachten.  

Zur Veranschaulichung soll folgendes Beispiel aus dem Abgasskandal dienen:
Der Versicherungsnehmer unterliegt in erster Instanz mit seiner auf § 826 BGB gestützten Klage. Das Gericht führt zur Begründung aus, er habe keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen. Gleichwohl bestünde der Anspruch nach § 826 BGB mangels vorwerfbarer Sittenwidrigkeit auch bei unterstelltem Vorliegen der Abschalteinrichtung nicht.
Der Versicherungsnehmer legt nun Berufung u.a. mit der Begründung ein, das Gericht habe seinen Vortrag zur einer Abschalteinrichtung rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen. Gelangt der Stichentscheid ebenfalls zu diesem Ergebnis, so reicht das indes nicht aus, um den Anforderungen in diesem Verfahrensstadium gerecht zu werden. Denn die unterlassene Würdigung von Tatsachenvortrag ist zwar ein angreifbarer Rechtsfehler. Gleichwohl müsste das Urteil bei Vermeidung dieses Fehlers nicht abgeändert werden, weil das Gericht die Haftung nach § 826 BGB dennoch abgelehnt hätte. Insofern müsste sich der Stichentscheid dann auch mit der Frage beschäftigen, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung auch zur Annahme eines vorsätzlichen und sittenwidrigen Verhaltens führt.  

Aber:
Eine gutachterliche Stellungnahme zu dieser Fragestellung im Sinne einer Abwägung verschiedener Ansichten muss nur dann erfolgen, wenn sich das Argument in der Ablehnung des Versicherers wiederfindet. Bezieht diese sich hingegen nur auf fehlende Anhaltspunkte zum Vorliegen einer Abschalteinrichtung, könnte im Stichentscheid unterstellt werden, dass der Versicherer die Sittenwidrigkeit im Übrigen bejaht hätte, die Ansicht des Instanzgerichts hinsichtlich der fehlenden vorwerfbaren Sittenwidrigkeit mithin selbst nicht teilt.  

Fazit 

Es zeigt sich, dass der Stichentscheid im Berufungsverfahren erhöhten Anforderungen gerecht werden muss, die sich der Rechtsanwalt vor Abfassen seiner Stellungnahme vergegenwärtigen sollte. Gleichwohl bleibt die Argumentation des Versicherers maßgebliche Marschroute für den Prüfungsumfang des Stichentscheids.