Vom Mythos der Informationsobliegenheit

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Einleitung 

Das Berufen auf Obliegenheitsverletzungen ist im Deckungsverfahren ein von Versicherern häufig gewähltes Mittel, um die eigene Einstandspflicht abzuwehren. Häufig wird vorgetragen, der Versicherungsnehmer habe den Sachverhalt nicht vollständig dargelegt und deshalb gegen seine Anzeige- und Unterrichtungsobliegenheit (sog. Informationsobliegenheit) verstoßen.  

Dabei erscheint ein solches Verhalten auf den ersten Blick als moralisch nachvollziehbar: Hält der Versicherungsnehmer wesentliche Informationen zurück, so darf er sich nicht wundern, wenn der Versicherer auch seinen Teil der Vertragsabrede nicht (vollständig) einhalten will. Doch gelangt man auch bei einem genaueren Blick und nach rechtlich sorgfältiger Analyse zu diesem einfachen Ergebnis? Dem möchte dieser Beitrag in gebotener Kürze auf den Grund gehen und dabei auf die wesentlichen Überlegungen aufmerksam machen, die im Zusammenhang mit Informationsobliegenheiten angestellt werden sollten. 

 

Normativer Anknüpfungspunkt für Tatbestand und Rechtsfolge 

Zunächst zum Ursprung “allen Übels”, den Vertragsbedingungen: Die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Information des Versicherers ergibt sich aus den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen und ist dort meistens unter § 17 ARB geregelt. Er ist Ausgestaltung der für alle Versicherungsverträge geltenden Vorschrift des § 28 VVG, die die Rechtsfolgen eines Obliegenheitsverstoßes normiert. Der Tatbestand ist damit im Bedingungswerk des jeweiligen Vertrags selbst normiert, während für die Frage, was aus einem objektiven Verstoß folgt, auf § 28 VVG zurückzugreifen ist.  

Als Obliegenheiten kennt das Rechtsschutzversicherungsrecht unter anderen die Anzeige- und Unterrichtungsobliegenheit. Danach hat der Versicherungsnehmer sowohl den Versicherer als auch den beauftragten Rechtsanwalt vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Rechtsschutzfalles zu unterrichten, sobald er den Rechtsschutzanspruch geltend macht. Hierzu gehört standesgemäß, dass der Versicherungsnehmer die Beweismittel angeben und die notwendigen Unterlagen auf Verlangen zur Verfügung stellen oder ebenjene beschaffen muss. Einen Verstoß kann es etwa darstellen, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer Einwände der Gegenseite vorenthält.  

 

Die Voraussetzungen der Leistungsfreiheit 

Dabei sind für den Versicherer hohe Hürden zu nehmen, ehe er sich nach einem objektiv festgestellten Verstoß auf Leistungsfreiheit berufen kann. So muss er nach § 28 Abs.  2 VVG zunächst darlegen, dass der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. 

Verletzt der Versicherungsnehmer eine der Obliegenheiten des § 17  ARB schuldlos oder nur mit einfacher Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 2 BGB), bleibt die Obliegenheitsverletzung für ihn folgenlos. Zudem wird der Versicherer auch gerade nur dann vollständig leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer vorsätzliches Verhalten nachweisen kann. Grob fahrlässiges Verhalten führt hingegen allenfalls zu einer Quotelung des Anspruchs auf Versicherungsleistung. Denn der Gesetzgeber hat von dem ursprünglich geltenden „Alles-Oder-Nichts-Prinzip“ längst Abstand genommen. 

 

Der Begriff des Vorsatzes unterscheidet sich dabei nicht von dem allgemeinen Begriff des Zivilrechtrechts und setzt neben dem Bewusstsein vom Vorhandensein der Obliegenheit auch das (bedingte) Wollen der Obliegenheitsverletzung voraus. Der Versicherer ist hierfür beweispflichtig, sofern er sich auf Leistungsfreiheit beruft! 

 

Dazu kommt, dass Versicherer in der Praxis oft nicht berücksichtigen, dass anwaltliches Verhalten bzw. anwaltliche Kenntnis dem Versicherungsnehmer nach allgemeinen versicherungsrechtlichen Grundsätzen nur dann zu zurechnen sind, wenn der Rechtsanwalt als Repräsentant des VNs in Erscheinung tritt. Das wird aber nur in den seltensten Fällen anzunehmen sein. 

 

Last but not least: Kausalitätsgegenbeweis 

Selbst wenn der Versicherer sowohl den objektiven Verstoß als auch das subjektive Element darlegen kann, bleibt für den Versicherungsnehmer der sog. Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 VVG. Danach bleibt der Versicherer selbst bei einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich geworden ist.  

Ein Kausalzusammenhang zwischen Obliegenheitsverletzung und Feststellung des Versicherungsfalls liegt aber erst dann vor, wenn der Rechtsschutzversicherer bei richtigem Verhalten des Versicherungsnehmers Maßnahmen hätte treffen können, die zu einer Senkung der von ihm zu ersetzenden Leistungen hätte führen können. 

Das Führen des Kausalitätsgegenbeweises scheidet auch nur dann aus, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig (also meist in betrügerischer Absicht) verletzt hat. Für die Rechtsschutzversicherung sind jedoch keinerlei Entscheidungen bekannt, in welchen über den Vorsatz hinaus Arglist bejaht wurde. 

 

Fazit 

Es sollte klar geworden sein, dass der Einwand der Leistungsfreiheit nach Obliegenheitsverletzung kein Selbstläufer ist. Dem Versicherer werden hier enge Zügel angelegt, weshalb es sich in jedem Fall lohnt, die Ablehnung des Versicherers genau unter die Lupe zu nehmen. Oft dürfte es dem VR schon schwer fallen das „Wollenselement“ des Vorsatzes darzulegen. Große Chancen bieten sich dem Versicherungsnehmer schließlich durch den Kausalitätsgegenbeweis. Denn nicht selten stellt sich heraus, dass der Obliegenheitsverstoß gar keinen Einfluss auf das Regulierungsverhalten des VRs genommen hat.