Zur Solidaritätszusage des Rechtschutzversicherers

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In zivilgerichtlichen Auseinandersetzungen gilt der Grundsatz, dass die sich im Streit befindenden Parteien grundsätzlich (unter Beachtung der prozessualen Wahrheitspflicht) „alles“ vorbringen und einwenden dürfen, was der Durchsetzung oder Wahrung der eigenen Rechte dient.  

Ein einschränkendes Verständnis gilt nach (zutreffender) Ansicht des Bundesgerichtshofes allerdings für den Rechtsschutzversicherer im Deckungsstreit. Denn die dem Versicherer zukommende Regulierungshoheit gegenüber dem eigenen Versicherungsnehmer strahlt unmittelbar auf die (prozessual) angezeigten Verhaltensweisen aus. Dies folgt bereits aus § 1a Abs. 1 S. 1 VVG, nach der der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber „stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln“ muss.  

(Auch) hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Figur der Solidaritätszusage entwickelt. So heißt es etwa in dem Urteil vom 31. März 2021 (Az.: IV ZR 221/19): 

„In der Rechtsschutzversicherung verpflichtet sich der Versicherer, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen (§ 125 VVG). Auch wenn das Versicherungsvertragsgesetz den Vertragsparteien hinsichtlich des Umfangs des Leistungsversprechens keine Vorgaben macht, besteht das Wesen des Vertrags im Versprechen einer Unterstützung der Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers, der daran zu Recht eine Solidaritätserwartung knüpft.“ 

Aus dieser Solidaritätszusage (und dem hierin steckenden Leistungsversprechen) entnimmt der Versicherungsnehmer, dass der Versicherer ihn bei der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen unterstützt und ihm zur Seite steht. 

Eine entscheidende Rolle kam diesem Vertrauensverhältnis in der Vergangenheit insbesondere bei der Frage der Bestimmung des Rechtsschutzfalles zu. Ausgangspunkt war eine in den Musterbedingung zur ARB 2021 vorgegeben und verwendete Klausel, nach der sich selbiger (der Rechtsschutzfall) auf Grundlage des Vortrages des Versicherungsnehmers und des potenziellen Gegners bestimmen lassen sollte. Hierin erblickte der Bundesgerichtshof in der vorzitierten Entscheidung einen Verstoß gegen eben dieses Solidaritätsversprechen. Denn bei Anwendung dieser Klausel wäre es dem Gegner der Hauptsache überlassen, dem Vortrag des Versicherungsnehmers dergestalt entgegenzutreten, dass er schematisch und ggf. im Wissen der versicherungsrechtlichen Gegebenheiten den Sachverhalt so darstellen könnte, dass Versicherungsschutz schon bezüglich der primären Voraussetzungen (sachlich, persönlich und zeitlich) nicht gegeben wäre. Der BGH (a. a. O.) führt hierzu aus: 

„In dieser Situation hätte es, wie der Senat mehrfach hervorgehoben hat, der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers, wäre auch auf sein Vorbringen abzustellen, in der Hand, dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz mittels bloßer Tatsachenbehauptungen von vorn herein zu entziehen (Senat NJW 2015, 1306 Rn. 16; BGHZ 222, 354 = NJW 2019, 2852 Rn. 28, jew. mwN), ohne dass es danach noch auf die Erfolgsaussichten der Interessenwahrnehmung oder Weiteres ankäme. Dem Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers bereits bei der Prüfung, ob und wann ein Versicherungsfall eingetreten ist, derart weitgehenden Einfluss auf die Leistungspflicht des Versicherers zuzugestehen, lässt sich mit dem Vertragszweck einer Unterstützung der Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers nicht vereinbaren.“ 

Ein solches Ergebnis führt nach überzeugender Ansicht des Bundesgerichtshofes zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers. Denn dieser müsste die bereits bekannten Einwände der Gegenseite (die er im Rahmen seiner Obliegenheit, den Tatsachenverhalt vollständig darzulegen, offenzulegen hat) im Verfahren gegen den eigenen Versicherer vollumfänglich entkräften und seine Gegenbehauptung unter Beweis stellen. Da bei der Frage des Vorliegens von Versicherungsschutz auf primärer Ebene eine nur summarische Prüfung unter dem herabgesetzten Maßstab des § 114 ZPO gerade nicht stattfindet, wäre der Versicherungsnehmer der akuten Gefahr ausgesetzt, den Hauptsacherechtsstreit zunächst gegenüber seinem Rechtsschutzversicherer inzident zu führen, um die begehrte Versicherungsleistung zu erhalten. Das ist ihm nicht abzuverlangen.  

Die Entscheidung(en) des Bundesgerichtshofes ist/sind zu begrüßen. Sie tragen den versicherungsrechtlichen Besonderheiten der Parteien (VR und VN) sowie dem Umstand Rechnung, dass diese an sich eine gemeinsame Zielrichtung (namentlich die Durchsetzung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers) verbindet.  

Daneben erstreckt sich die Solidaritätszusage des Versicherers nicht nur auf die Frage des Vorliegens des Versicherungsfalles. Dem Versicherer ist es viel mehr auch verwehrt, sich im Deckungsprozess (wie teilweise zu beobachten) als Rechtsabteilung der Gegenseite aufzuspielen und hierbei im bemerkenswerten Umfang Einwände gegen den Anspruch (bzw. dessen Erfolgsaussichten) vorzunehmen, auf die sich der/die Bezugsbeklagte selbst nicht zu stützen vermag. So lässt sich in entsprechenden Verfahren regelmäßig feststellen, dass der Tatsachenverhalt der Hauptsache vollumfänglich bestritten wird. Dabei ist es nicht nur nicht Aufgabe des Gerichts der Deckungsklage, eine Beweiswürdigung der Hauptsache vorwegzunehmen. Ein solches Verhalten widerspricht daneben auch den einschlägigen Rechtsschutzbedingungen. Denn nach diesen ist der Versicherungsnehmer (wie oben dargestellt) lediglich gehalten, den Sachverhalt und entsprechende Beweismittel vorzutragen. Selbstverständlich steht dem Versicherer dann ein Prüfungsrecht im Rahmen der Erfolgsaussichten zu, ob das angegebene Beweismittel überhaupt geeignet ist, die Tatsachenbehauptung zur Überzeugung des Hauptsachegerichts feststellen zu lassen. Da eine Verneinung dieser Frage im Rahmen der Erfolgsaussichtenprüfung aber allenfalls bei evident ungeeigneten Beweismitteln anzunehmen sein könnte, kommt einem solchen Einwand in der Praxis regelmäßig keine Relevanz zu.  

Auch hier gilt: der Versicherer hat mit Blick auf seine Solidarpflicht den Vortrag des Versicherungsnehmers (selbstverständlich nur in Ermangelung evidenter Widersprüche) für zutreffend anzunehmen und auch in Beweisfragen Zweifel zu Gunsten seines Vertragspartners auszulegen.