Alles rund um das Thema Rechtsschutz­versicherungsrecht

Keen Law Blog
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EuGH

Schlussanträge des EuGH-Generalanwaltes & RSV

Erfreuliche Nachrichten erreichten am 2. Juni 2022 all diejenigen, die auf Seiten der durch den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen und abweichender Real-Emissionswerte geschädigten Autofahrer stehen: Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes Athanasios Rantos hat in der Sache C-100/21 seine Schlussanträge vollumfänglich verbraucherfreundlich ausformuliert. Im Kern schlägt er dem Gerichtshof folgende drei Entscheidungen vor:

    1. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 sind dahingehend auszulegen, dass ihnen Drittschutz bezüglich der Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeuges zukommt, insbesondere hinsichtlich des Interesses, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist.
    2. Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten vorzusehen, dass der Erwerber eines Fahrzeuges einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller hat, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.
    3. Der entsprechend auszuurteilende Schadensersatz muss im Lichte des unionsrechtlich vorgesehenen Effektivitätsgrundsatzes angemessen sein.

Die gesamten Schlussanträge sind hier in deutscher Sprache abrufbar (Quelle: curia.europa.eu).

Der Europäische Gerichtshof ist damit auf einer Linie mit dem Landgericht Stuttgart (20 O 591/21), welches unlängst die Mercedes-Benz Group AG (ex Daimler AG) auf Grundlage der §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 4 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verurteilte.

Übertragen auf versicherungsrechtliche Streitigkeiten bedeutet das kurz und knapp:

Sofern ein Fahrzeug – gleich welchen Herstellers – mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, können hinreichende Erfolgsaussichten nicht mehr abgelehnt werden. Gleichzeitig scheint der EuGH der Ansicht des Bundesgerichtshofes, der Schadensersatzanspruch (auch der sog. Kleine Schadensersatz/merkantile Minderwert) könne durch entsprechend hohe Laufleistung gänzlich aufgezehrt werden, eine klare Absage zu erteilen.

Deckungsklagen gegen die Versicherer scheinen vor diesem Hintergrund derzeit äußerst erfolgsaussichtsreich sowohl was die Deckungsverpflichtung dem Grunde nach als auch hinsichtlich der neu gemischten Karten bzgl. der Anspruchshöhe anbelangt.

 

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Keen Law

Fortsetzung: Mutwilligkeit und Sachverständigenkosten

Eine Vertiefung des Blogeintrages vom 31. März 2022 („Mutwillige Rechtsverfolgung bei Sachverständigenkosten“)

Nach unserem Ende März 2022 erschienenen Beitrag, der sich mit den Entscheidungen des OLG Hamm und LG Dortmund auseinandergesetzt hatte, ließ sich durch unsere Partnerkanzleien und uns insbesondere (aber nicht nur) in Dieselfällen beobachten, dass nach oder wegen dieser beiden Urteile immer mehr Rechtsschutzversicherer die Kostenübernahme für Sachverständigengutachten trotz vorher erteilter Deckungszusage mit der Begründung ablehnen, das Kostenübernahmebegehren sei „mutwillig“. Meistversuchen die Rechtsschutzversicherer sich zu diesem Zweck schon im Rahmen der Deckungszusage eine Einzelfallprüfung der Kosten eines möglichen Sachverständigengutachtens vorzubehalten.

Vor diesem Hintergrund wollen wir die Voraussetzungen des Mutwilligkeitseinwandes nochmals beleuchten:

 

1. Der Einwand der Mutwilligkeit

„Mutwilligkeit“ ist gegeben, wenn die voraussichtlich durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten bei Berücksichtigung der berechtigten Belange des Versicherungsnehmers zum erstrebten Erfolg in einem groben Missverhältnis stehen (vgl.  Schmitt, in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung: ARB, 9. Aufl. 2018, ARB 2010, § 3 a, Rn. 23.).

Dabei kommt es – wie immer – maßgeblich auf die Sichtweise eines objektiven durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne juristische Vorkenntnisse an.

2. Vorbehaltlose Deckungszusage?

Ganz maßgeblich kann die Auseinandersetzung mit der Versicherung bereits mit der Beantwortung der Frage entschieden werden, ob eben jener durchschnittliche Versicherungsnehmer durch das jeweilige Schreiben der Rechtsschutzversicherung („Deckungszusage“) berechtigterweise darauf vertrauen durfte, unbedingten Deckungsschutz gewährt bekommen zu haben. „Unbedingt“ bedeutet hierbei „umfassender“ Deckungsschutz, d. h. folglich auch die Deckungszusage in Hinsicht auf das zur Unterstützung der Durchsetzung seiner Ansprüche erforderliche Sachverständigengutachten zur Beweisführung.

Denn der Einwand der Mutwilligkeit gibt der Rechtsschutzversicherung zwar das Recht, unter den genannten Voraussetzungen eine Deckung von vornherein ablehnen zu können. Dieses (das Recht) darf aber in Anlehnung der Regelung in § 114 ZPO nicht dahingehend missverstanden werden, dass ein bereits gewährter Deckungsschutz im Nachhinein einseitig ganz oder teilweise entzogen werden könnte (vgl. AG Stuttgart, Urteil vom 16.01.2020 - 1 C 3954/19).  Ein solches Verhalten ist stets unzulässig.

3. Einwand vorbehalten?

Sofern sich der Versicherer den späteren Mutwilligkeitseinwand (nach Ansicht des OLG Hamm [I-20 W 9/21]) in zulässiger Weise vorbehalten hat, müsste in dem Begehren des Versicherungsnehmers, die Kosten des Sachverständigengutachtens durch den Versicherer abzusichern auch tatsächlich ein mutwilliges Verhalten liegen.

Das ist häufig nicht der Fall, es gilt:

Die Frage des Vorliegens der Mutwilligkeit ist eine Wertungsfrage, deren Annahme nicht allein auf den Vergleich des zugrunde liegenden Streitwerts als Klageziel und den Kosten des Sachverständigengutachtens gestützt werden darf. Vielmehr benötigt es einer gesonderten Begründung (vgl. AG Stuttgart, Urteil vom 23. Januar 2003, 13 C 4703/02). Ein grobes Missverhältnis kann vor diesem Hintergrund nicht schlechthin aufgrund der hohen Kosten angenommen werden (vgl. Harbauer/Schmitt ARB 2010 § 3a Rn. 23-27).

Schon an diesem Punkt „scheitern“ viele Versicherer. Die durch uns geprüften Ablehnungsschreiben berufen sich in der Regel ausschließlich darauf, dass der angeforderte Vorschuss die Klageforderung selbst um ein „Vielfaches“ übersteigt. Weitere Ausführungen finden sich an diesen Stellen nicht.

Diese Schreiben genügen den aufgezeigten (herrschenden) Anforderungen aber deshalb nicht, weil ein (überwiegendes) Abstellen allein auf den schlichten Vergleich des Nutzens und der Kosten die zu berücksichtigenden berechtigten Belange des Versicherungsnehmers außer Acht lässt. Denn häufig kann erst durch das Sachverständigengutachten in fachlich und technisch kompliziert gelagerten Fällen Beweis geführt werden. Damit ist das Sachverständigengutachten schlechthin notwendig zur wirksamen Durchsetzung begehrter Ansprüche und damit zur Erreichung des eigentlichen Rechtsschutzziels.

Mit einer solchen Ablehnungspraxis der Rechtsschutzversicherungen ist die effektive Geltendmachung rechtlicher Ansprüche in – wie so oft – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht einfach zu beweisenden Konstellationen, von Anfang an unmöglich. Dass dies nicht dem Sinn und Zweck einer Rechtsschutzversicherung entsprechen kann, liegt auf der Hand, besteht dieser doch gerade darin, dem Versicherungsnehmer die Wahrnehmung seiner Rechte umfassend und ohne Kostenüberlegungen zu ermöglichen. Schließlich erkauft sich der Versicherungsnehmer diesen Anspruch und wälzt die Rechtskostenrisiken berechtigt durch Beitragszahlungen auf die Rechtsschutzversicherung ab. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Mutwilligkeitseinwandes Konstellationen wie die hiesige vor Augen hatte. Denn der Mutwilligkeitseinwand zielt auf schlechterdings unverständliche (Rechtsschutz-)begehren ab, die entweder dem Grunde nach neben den mit ihnen verbundenen Kosten kaum bis keinen weitergehenden Nutzen bringen oder verglichen mit existenten Alternativen die kostenintensivste und gleichzeitig nicht geeignetste Variante darstellen. Vorliegend ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Regel die einzige Möglichkeit, das – dem Grunde nach unbestreitbar in seiner Existenz berechtigte – Rechtsschutzbegehren des Versicherungsnehmers erfolgreich zu erreichen.

Die hohen Grenzen der Mutwilligkeit, nach denen nur die Finanzierung wirtschaftlich in hohem Maße unvernünftiger oder sinnloser rechtlicher Schritte ausgeschlossen werden dürfen, werden damit nicht erreicht.

4. Handlungsmöglichkeiten

Wird die Kostenübernahme für Sachverständigengutachten allein aus den aufgezeigten Gründen abgelehnt und hat ein Vorgehen in der Hauptsache daher gute Erfolgsaussichten, lässt sich bei rechtzeitigem Handeln schneller Rechtsschutz durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf den Ausspruch der Verpflichtung zur Zahlung der anfallenden Kosten, erlangen. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass nach der Deckungsablehnung nicht unnötig viel Zeit verstreicht. Auch scheint nicht ausgeschlossen, dass mögliche außergerichtliche Rechtsbehelfe (Stichentscheid oder Schiedsgutachten) dem einstweiligen Rechtsschutz (Stichwort: Eilbedürftigkeit) entgegenstehen.

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ARAG

ARAG - Reaktion auf Deckungsklagen

Wie effektiv das konsequente (gerichtliche) Vorgehen gegen zu Unrecht verweigerte Deckungszusagen ist, zeigt das aktuelle Verhalten der ARAG.

Bereits im Februar 2022 hatte die Keen Law RA GmbH – vor den entsprechenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Ansprüchen aus § 852 BGB hinsichtlich Neu- und Gebrauchtwagen – mehrere Hände voll Deckungsklagen für in der Hauptsache bereits anhängige Rechtstreitigkeiten eingereicht.

Das Ergebnis:

Nach Zustellung der soweit ersichtlich ersten(!) Klage, in der wir einen Mandanten der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte (Berlin) im Deckungsstreit vertreten hatten, erteilte die ARAG in einer Vielzahl von Neu- und Gebrauchtwagenkonstellationen ihre Deckung – und das häufig vor der Zustellung der entsprechenden Klagen.

Besonders erfreulich: Hierbei erreichten auch viele Versicherungsnehmer bzw. Mandanten eine Deckungszusage, für die wir im Vorfeld nicht tätig geworden waren. So konnte in prozessökonomischer Art und Weise durch wenig in die Eskalation geführte Fälle einer Vielzahl von Verbrauchern zu ihrem Recht auf ein risikoloses Hauptsacheverfahren geholfen werden.

Es bleibt abzuwarten, ob die ARAG ihr Deckungsverhalten in der Zukunft von Beginn an den tatsächlichen Erfolgsaussichten angesichts ausstehender Entscheidungen des Bundesgerichtshofes ausrichten, oder, ob eine weitere flächendeckende gerichtliche Auseinandersetzung provoziert werden wird.

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Keen Law

Quotenvorrecht und Aufrechnung mit erstatteten Gerichtskosten

Die Ausgangslage:

Nicht selten kommt es vor, dass der Rechtsanwalt nach Abschluss des Verfahrens der Meinung ist, noch offene Honoraransprüche gegenüber seinem rechtsschutzversicherten Mandanten zu haben.

Der bislang fehlende Ausgleich der vollen Schlussrechnung kann mehrere Gründe haben: der Versicherer hält den Streit- bzw. Gegenstandswert für überhöht angesetzt, oder er weigert sich die Kosten der aus seiner Sicht aussichtslosen vorgerichtlichen Tätigkeit (Stichwort: unbedingter Klageauftrag) zu zahlen.

Spannend wird es, wenn die Justizkasse unverbrauchte Gerichtskosten auf das Geschäftskonto des Rechtsanwaltes auskehrt und der Rechtsanwalt mit diesen gegen den auf den Versicherer gem. § 86 Abs. 1. S. 1. VVG übergegangenen Auszahlungsanspruch aufrechnet. So schafft es der Rechtsanwalt, die unangenehme Situation, seinen Mandanten zu verklagen und selbst in den Aktivprozess einzusteigen, aus dem Weg zu gehen. Der Ball des Klageverfahrens läge dann beim Versicherer.

In einigen von der Keen Law verteidigten Zahlungsklagen von Versicherern gegen Rechtsanwaltskanzleien führen die Klägerinnen regelmäßig das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 10. Juni 2021, Az.: IX ZR 76/20 an.

Dort heißt es im Leitsatz:

  1. Hat der Rechtsschutzversicherer Gerichtskosten gezahlt und erstattet die Gerichtskasse unverbrauchte Gerichtskosten an den Rechtsanwalt, geht der Anspruch des rechtsschutzversicherten Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt, alles herauszugeben, was er aus der anwaltlichen Geschäftsbesorgung erlangt, insoweit auf den Rechtsschutzversicherer über.
  2. Für Erstattungsansprüche aufgrund überzahlter Gerichtskosten besteht in der Rechtsschutzversicherung kein Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers.

Nach Ansicht der Versicherer sind die Anwälte aus diesen Rechtserwägungen heraus verpflichtet, den erlangten Gerichtskostenvorschuss ungeachtet bestehender eigener Ansprüche herauszugeben.

Damit unterliegen sie allerdings einem Rechtsirrtum, denn der BGH stellt zunächst “lediglich” fest, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Rechtsanwalt auf Herausgabe der zurückerstatteten Gerichtskosten gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Versicherer übergegangen ist. So weit so unspektakulär.

Dogmatisch interessanter, wenngleich nicht wirklich überraschend, ist der Leitsatz zu 2), nachdem dem Versicherungsnehmer gegen seinen Versicherer kein Quotenvorrecht hinsichtlich der erstatteten Gerichtskosten zusteht. Denn das in § 86 Abs. 1 S. 2 VVG verankerte Quotenvorrecht zielt nach Ansicht des BGH insbesondere auf Ersatzleistungen des Schädigers ab, von denen sich die überzahlten Gerichtskosten ihrer Art nach immens unterscheiden (vgl. Zur Vertiefung BGH a. a. O. - lesenswert!).

Warum bzw. Wo aber nun der Rechtsirrtum der Versicherer?

Die Versicherer verkennen, dass die Frage des Quotenvorrechts ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen ihnen und ihren Versicherungsnehmern betrifft.

Hiervon strikt zu trennen sind die Beziehungen zwischen dem Rechtsanwalt und seinen Mandanten! In dieses Verhältnis tritt die Versicherung zwar in Folge der cessio legis ein – allerdings ohne die zwischen ihr und dem Versicherungsnehmer streitigen Rechtsfragen “mitzuziehen”.

An dieser Stelle kommt der nicht übertragbare Sachverhalt zum Vorschein. Denn in dem Verfahren, das der BGH zu entscheiden hatte, hatten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit dessen vermeintlichen Anspruch (und eben nicht mit eigenen Honoraransprüchen) gegen den Versicherer aufgerechnet:

“b) Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für einen Schutz einer zugunsten der Beklagten bestehenden Aufrechnungslage nach §§ 406, 407 BGB erfüllt sind. Die Beklagte zu 1 [die Prozessbevollmächtigte, Einf. d. Unterzeichners] hat weder eine Aufrechnung mit eigenen Gebührenansprüchen gegen die Versicherungsnehmer erklärt noch sich auf eine solche von ihr zuvor erklärte Aufrechnung berufen. Die Gebührenansprüche der Beklagten zu 1 sind nach ihrem eigenen Vorbringen durch Erfüllung erloschen, weil die Versicherungsnehmer die Gebührenrechnungen bezahlt haben.”

Zu der hier entscheidenden Fragen verhält sich der Bundesgerichtshof – und das verkennen die Versicherer offensichtlich – in dankbarer Deutlichkeit dahingehend, dass eine Aufrechnung von Honoraransprüchen auch mit zurückerstatteten Gerichtskosten grundsätzlich möglich sein soll:

“Allerdings kommt nach einem Übergang von Forderungen des Versicherungsnehmers auf den Versicherer gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG grundsätzlich eine Aufrechnung des Anwalts mit eigenen Gebührenansprüchen gegen den Versicherungsnehmer in Betracht. Gemäß § 406 BGB kann der Schuldner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Diese Bestimmung gilt gemäß § 412 BGB auch für einen gesetzlichen Forderungsübergang (BGH, Urteil vom 27. Juni 1961 - VI ZR 205/60, BGHZ 35, 317, 325), auch im Verhältnis zum Rechtsschutzversicherer (aA LG München I, VersR 2006, 257, 258). Ebenso ist § 407 BGB im Falle eines gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1966 - II ZR 279/63, VersR 1966, 330 unter I. zu § 67 VVG aF), so dass sich der Anwalt unter den Voraussetzungen des § 407 BGB auf eine gegenüber dem bisherigen Gläubiger nach dem Forderungsübergang erklärte Aufrechnung berufen kann.“

Sofern also die Honoraransprüche des Rechtsanwaltes vor Übergang des Gerichtskostenauskehrungsanspruches auf den Versicherer fällig geworden sind, steht einer Aufrechnung, die die Klageforderung dann gem. §§ 362 Abs. 1, 389 BGB i. V. m. §§ 412, 406 BGB i. V. m. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG zum Erlöschen bringt, wenig im Weg.

Die Frage des Quotenvorrechts spielt für unseren Streit keine Rolle.

Anmerkung: Keine verbindliche Aussage soll an dieser Stelle über die höchst streitige Frage, ob die erstatteten Gerichtskosten Fremdgelder im Sinne von § 4 Abs. 3 Var. 2 BORA darstellen (dagegen: Graf/Johannes in VersR 2020, 871).

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Erfolgsaussichten in der Rechtsschutzversicherung

Der wohl umstrittenste Ablehnungsgrund schlechthin ist die sog. mangelnde Erfolgsaussicht. Hierbei verweigert der Versicherer die Deckungszusage, weil die gewünschte Rechtsverfolgung nicht zum Erfolg führen kann. Doch wann liegen eigentlich hinreichende Erfolgsaussichten vor?

Da die Begrifflichkeit vollends der Formulierung aus § 114 ZPO entspricht, wird einhellig davon ausgegangen, dass die zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze im Kern übernommen werden können (vgl. BGH VersR 2003, 454). Dies hat zunächst zur Folge, dass die Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.12.2003, AZ.: 1 BVR 918/03). Mithin erschöpft sich die Erfolgsaussichtsprüfung auch im Rechtsschutzversicherungsbereich vielmehr in einer Art summarischen Prüfung.

Weiter ist maßgeblich, ob der Standpunkt des Versicherungsnehmers auf Grund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest vertretbar erscheint (vgl. BGH NJW 1994, 1161; 1988, 266). Ausreichend ist daher in jedem Falle, wenn die vom Versicherungsnehmer eingenommene Rechtsansicht zumindest in Literatur und/oder in Teilen der Rechtsprechung vertreten wird (so z.B. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2018, 154: Hinreichende Erfolgsaussicht folgt schon daraus, dass mehrere Landgerichte den Anspruch bejaht haben).

Weitergehend wird auch darauf abgestellt, ob die vom Gericht zu treffende Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt (BVerfG NJW 2013, 1727; 2004, 1789; BGH NJW 2015, 1020; VersR 2007, 966). Von solch schwierigen Rechts- oder Tatsachenfragen ist insbesondere dann auszugehen, wenn dem Fall wegen klärungsbedürftiger Fragen grundsätzliche Bedeutung zukommt (BVerfG NJW 2015, 2173; BGH VersR 2007, 966; NJW 2004, 2022). Hierunter fallen insbesondere Fallgestaltungen, bei denen die Revision zugelassen wurde bzw. wenn eine entscheidende Rechtsfrage höchstrichterlich (noch) nicht geklärt ist (OLG Celle, Urteil vom 03.03.2022, Az: 8 U 200/21).

Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten, kann auch die Darlegungslast der Parteien eine Rolle spielen. So können Erfolgsaussichten bereits impliziert sein, wenn den Anspruchsgegner im Prozess eine sekundäre Darlegungslast trifft und der Versicherungsnehmer mit Hinweis auf öffentlich zugängliche Quellen substantiiert die Deckungszusage einfordert (OLG Celle a.a.O m.w.N.)

In prozessualer Hinsicht ist noch darauf hinzuweisen, dass der Einwand der mangelnden Erfolgsaussichten zu den sog. sekundären Risikobegrenzungen gehört, für die der Versicherer beweispflichtig ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2021, Az: 12 U 296/20). Beruft sich der Versicherer auf diesen Einwand, obliegt es also ihm, gemessen an den obigen Maßstäben, darzulegen, dass keine Erfolgsaussichten bestehen.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Schwelle der hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne eines Rechtsschutzversicherungsvertrags geringer ist, als es die Ablehnungsschreiben zunächst vermuten lassen. Ungeklärt ist indes die Frage, inwiefern ein Vergleichsverhalten des Anspruchgegners (unabhängig von der materiellen Rechtslage) Einfluss auf die Erfolgsaussichten haben kann. Hierzu – und zu den Erfolgsaussichten im Allgemeinen – empfehlen wir den Aufsatz von Horacek in VersR 2022, 15.

 

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Beitragsanpassung in privaten Krankenversicherungen & RSV

I. Einleitung

Seit jeher gilt es für viele als Privileg, privat krankenversichert zu sein. Chefarztbehandlungen, ein breit aufgestelltes und individuell zugeschnittenes Leistungsangebot, schnellere Terminvergabe und geringere Wartezeiten sind einige der Vorteile, mit denen die Private Krankenversicherungen (PKV) werben. Die Kehrseite der Medaille sind stetig steigende Beiträge, deren Berechnung ein komplexes Kalkulationsverfahren zugrunde liegt, das ohne versicherungsmathematische Kenntnisse praktisch nicht zu durchdringen ist. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich PKVen diesen Umstand häufig zu Nutze gemacht und Beiträge ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Voraussetzungen angehoben haben. Die zu Unrecht gezahlten Beiträge können dann vom Versicherungsnehmer nachträglich zurückverlangt werden. Der Rechtsschutzversicherer ist im Rahmen des Vertragsrechtsschutzes verpflichtet, die Kosten für eine außergerichtliche und/oder gerichtliche Auseinandersetzung zu übernehmen. Das sehen allerdings nicht alle Rechtsschutzversicherer so, weshalb wir an dieser Stelle die wesentlichen Einwände und Probleme (gestaucht) darstellen möchten.

II. Mangelnde Erfolgsaussichten

In der Regel berufen sich Rechtsschutzversicherer auf den Einwand mangelnder Erfolgsaussichten und behaupten, dass nicht ersichtlich sei, weshalb die Beitragserhöhungen unwirksam sein sollten. Im Übrigen seien die Ansprüche, soweit man sie annehme, ohnehin verjährt.

1. Wirksamkeit der Beitragserhöhungen

Viele Erhöhungsschreiben werden bereits den formellen Anforderungen, die der BGH in seinen Urteilen vom 16. Dezember 2020, Az.: IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 aufgestellt hat, nicht gerecht. Häufig geben besagte Schreiben die Voraussetzungen einer Beitragserhöhung lediglich abstrakt wieder, ohne mitzuteilen, welche Rechnungsgrundlage sich im Einzelnen dergestalt verändert hat, dass eine Anpassung zulasten der Versicherungsnehmer notwendig war.

Darüber hinaus ist aber häufig auch die materielle Wirksamkeit der Beitragserhöhungen berechtigt anzuzweifeln. Denn die meisten Versicherer verwenden eine Vertragsbedingung (§ 8b Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen), die einen von den gesetzlichen Vorgaben abweichenden Schwellenwert festlegt. Meistens reicht es dann bereits aus, wenn die Leistungsausgaben der PKV um lediglich 5 % zum Vorjahr steigen. Diese Vereinbarung ist in so gut wie allen Bedingungswerken an eine Regelung (§ 8b Abs. 2) gekoppelt, die es der PKV ermöglicht, von der Prämienanpassung abzusehen, wenn die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist. Dass eben diese Vereinbarung gegen § 208 Abs. 1 VVG mit der Folge ihrer Unwirksamkeit verstößt, wurde bereits von einigen Gerichten entschieden, (vgl. nur Urteil des OLG Köln vom 22. September 2020, Az.: 9 U 237/19).

Die Unwirksamkeit wirkt sich aufgrund des engen Zusammenhangs mit dem herabgesetzten Schwellenwert auch auf diesen aus. Dann besteht regelmäßig Grund zur Annahme, dass der gesetzliche Schwellenwert von 10 % letztlich gar nicht überschritten wurde und die Beitragserhöhungen materiell unwirksam waren. Diese begründete Annahme hätte die PKV dann im Prozess zu entkräften - der Versicherer muss Deckung für die insofern aussichtsreiche Klage erteilen.

2. Verjährung etwaiger Rückforderungsansprüche (Unzumutbarkeit der Klageerhebung)

Für die Frage, ob die Ansprüche der Versicherten verjährt sind, wird regelmäßig auch entscheidend sein, ob man die Erhebung einer Klage vor den Grundsatzurteilen des BGH aus Dezember 2020 für “unzumutbar” erachten kann. Dies hätte zur Folge, dass es auf eine reine Tatsachenkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände nicht ankommt und erst die durch die Urteile geschaffene eindeutige Rechtsprechung den Verjährungsbeginn datiert mit der Folge, dass die kenntnisunabhängige Verjährung nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB (zehn Jahre) heranzuziehen ist.

Die Rechtsprechung hat sich diesbezüglich noch nicht abschließend positioniert. Zwar hatte sich der BGH selbst in seinem Urteil vom 17. November 2021, Az.: IV ZR 113/20 mit der Frage der Verjährung auseinandergesetzt. Die hier streitentscheidende Problematik der (Un-)Zumutbarkeit ließ er allerdings offen, da der dortige Kläger bereits vor den BGH-Urteilen aus Dezember 2020 die Erfüllung seiner Ansprüche gefordert hatte. Deshalb durfte der Senat davon ausgehen, dass ihm eine frühere Klage offensichtlich zuzumuten gewesen war.

Für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsschutzversicherer ist daran zu erinnern, dass bereits das Vorliegen hinreichender Erfolgsaussichten zu einer Deckungspflicht führen. Mangels entgegenstehender höchstrichterlicher Rechtsprechung und der offenbar durch den Bundesgerichtshof anerkannten Umstrittenheit dieser Rechtsfrage – sonst hätte er sie nicht ausdrücklich “offen” gelassen - scheint die Annahme der Unzumutbarkeit jedenfalls nicht unvertretbar, sodass der Deckungsschutz (notfalls gerichtlich) durchgesetzt werden sollte.

III. Vorvertraglichkeit

Häufig läuft das Krankenversicherungsverhältnis (deutlich) länger, als die vertragliche Beziehung zur Rechtsschutzversicherung. Letztere berufen sich in diesen Fällen in der Regel auf den Einwand, vorvertragliche Risiken nicht unter Deckungsschutz stellen zu müssen. Hieraus folgt die Frage, ob man angesichts der wiederholten gleichartigen Verstöße für die Bestimmung des Rechtsschutzfalles auf die erste Beitragserhöhung abzustellen hat, oder, ob nicht erst die Weigerung der PKV, die Beiträge zurückzuzahlen, die Frage des Rechtsschutzverhältnisses entscheidet. Für Letzteres spricht das BGH-Urteil vom 4. Juli 2018, Az.: IV ZR 200/16. In diesem entschied der Bundesgerichtshof, dass es bei Ausübung eines eigentlich verfristeten aber mangels wirksamer Belehrung dennoch ausgeübten Widerrufsrechts, nicht auf den Zeitpunkt der fehlerhaften Belehrung ankommt. Zur Stützung der Auffassung, diese Rechtsprechung lasse sich auf die Beitragsrückerstattung in der PKV übertragen, kann ebenfalls das Urteil des BGH vom 3. Juli 2019, Az.: IV ZR 111/18 herangezogen werden, in dem sich der vierte Senat gegen eine “uferlose Rückverlagerung des Rechtsschutzfalls” durch Anknüpfung an die erste adäquate Ursache ausgesprochen hat.

IV. Mutwilligkeit

Schließlich wenden Rechtsschutzversicherer gelegentlich ein, das Vorgehen gegen die PKV werfe ein grobes Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen auf, weil allein anfallende Gutachterkosten die geltend gemachte Forderung übersteigen werden. Dieser Ablehnungseinwand verfängt schon deshalb nicht, weil kaum prognostiziert werden kann, wie hoch die Gutachterkosten im Einzelfall sind. Die Ablehnungen enthalten in der Regel auch keine (valide) Bezifferung der erwarteten Gutachterkosten.

Zudem sei aus Sicht der Versicherer nicht ersichtlich, weshalb gerade zum jetzigen Zeitpunkt geklagt werden müsse und nicht der Ausgang bereits anhängiger Verfahren abgewartet werden könne. Höchst fraglich ist bereits, wie der durchschnittliche Versicherungsnehmer aus eigener Kraft einen Überblick über anhängige Verfahren erlangen und gleichzeitig einschätzen können soll, inwiefern sich aus den Verfahren tatsächlich Rückschlüsse auf sein individuelles Begehren ziehen lassen. Überhaupt spricht viel dafür, dass eine Warteobliegenheit mit den Interessen des Versicherungsnehmers nicht vereinbar ist. Hierbei ist auf das Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 27. Oktober 2017, Az.: E-21/16 zu verweisen, nach dem die Beurteilung, zu welchem Zeitpunkt ein Gerichtsverfahren angestrengt werde, nicht Aufgabe des Versicherers sei. So sieht es auch das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 21. September 2017, Az.: I – 4 U 87/17.

V. Fazit

Die Beurteilung der Rechtslage in Beitragserstattungsverfahren ist komplex. Die Komplexität gereicht aber in gewisser Hinsicht zum Vorteil des Versicherungsnehmers, da der PKV im Hinblick auf die materielle Wirksamkeit der Beitragserhöhungen eine sekundäre Darlegungslast zukommt. Schon deshalb können auch die hinreichenden Erfolgsaussichten nicht versagt werden (Stichwort: Keine Vorverlagerung schwieriger Tatsachen- oder Rechtsfragen in den Deckungsstreit).

Auch die weiteren Einwendungen der Rechtsschutzversicherer scheinen eher bloße Unterfütterung der Ablehnung selbst zu sein und lassen sich mit guten Argumenten entkräften.

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LG Düsseldorf

LG Düsseldorf: Unwirksamkeit des Zustimmungsvorbehaltes

Ein interessantes Urteil konnte die Keen Law in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte erstreiten: Kann sich der Anwalt Ansprüche seiner Mandanten gegen die RSV abtreten lassen? Das LG Düsseldorf sagt: Ja – zumindest unter bestimmten Voraussetzungen. 

 

Der Fall 

Die Kanzlei Gansel vertrat zwei Darlehensnehmer in einer Widerrufsangelegenheit. Nach Abschluss verweigerte der Rechtsschutzversicherer trotz Deckungszusage teilweise die Zahlung der Anwaltskosten. Die Kanzlei Gansel ließ sich daraufhin den Freistellungsanspruch seiner Mandanten gegen die RSV abtreten und zeigte dies dem Versicherer an. Verbunden mit der Bitte der Abtretung zuzustimmen, forderte der Kläger die RSV zur Zahlung auf und kündigte an, im Falle des fruchtlosen Fristablaufs im eigenen Namen zu klagen. Die RSV reagierte darauf nicht. 

 

Auch nach Klageerhebung stellte der Versicherer zunächst lediglich die Gebührenhöhe in Frage und verwies erst kurz vor der mündlichen Verhandlung auf die fehlende Zustimmung. Der Kläger argumentierte diesbezüglich, dass die Verweigerung der Zustimmung ohnehin rechtsmissbräuchlich sei. 

 

Zur Entscheidung 

Dieser Ansicht folgte das Landgericht Düsseldorf und gab der Klage überwiegend statt. Zur Aktivlegitimation erläuterte das Landgericht, dass Ansprüche der VN aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag wegen § 17 ARB zwar nur mit schriftlicher Zustimmung des Versicherers abgetreten werden können und eine solche nicht vorliege. Der RSV ist es vorliegend aber verwehrt sich darauf zu berufen,  

Denn sie hat an den Kläger vorprozessual bereits Teilzahlungen geleistet und zudem über einen längeren Zeitraum – auch im hiesigen Prozess – mit diesem verhandelt, ohne sich auf die Unwirksamkeit der Abtretung zu berufen. 

 

Anmerkung 

Die Entscheidung zeigt, dass –in gewissen Konstellationen – eine Abtretung zwischen Mandant und Rechtsanwalt möglich ist. Und das auch dann, wenn der Rechtsschutzversicherer dem nicht zustimmt. 

Die Entscheidung ist im Ergebnis absolut überzeugend. So hat der BGH (Urteil vom 25. November 1999, Az. VII ZR 22/99 m.w.N.) bereits festgehalten, dass es eines schützenswerten Interesses bedarf, will sich der Schuldner auf einen Abtretungsausschluss oder -Vorbehalt berufen. Ein solches ist aber nicht gegeben, wenn die RSV , und das ist die Regel, ohnehin hinsichtlich der Kosten direkt mit dem Anwalt korrespondiert und reguliert. Daher wird aus unserer Sicht auch der Sinn und Zweck des Abtretungsvorbehalts nicht tangiert, weil es sich bei dem Rechtsanwalt nicht um einen „aufgedrängten Dritten“ handelt, wenn sich die RSV direkt mit diesem hinsichtlich der Kosten auseinandersetzt. 

Durch die Entscheidung eröffnet sich in der Praxis die Möglichkeit, Gebührenansprüche direkt gegen Rechtsschutzversicherungen durchzusetzen. Das Problem, seinen eigenen Mandanten – trotz RSV und Deckungszusage – verklagen zu müssen, wäre damit obsolet. 

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Keen Law

Streitwert einer Deckungsklage

Wie berechnet sich eigentlich der Streitwert einer Deckungsklage? Diese Frage wird uns regelmäßig von Kolleginnen und Kollegen gestellt. Die Antwort darauf geben wir gerne hier zusammengefasst: 

Der Streitwert einer Deckungsklage gegen einen Rechtsschutzversicherer richtet sich nach den voraussichtlich entstehenden Kosten für die Wahrnehmung der Interessen des Versicherungsnehmers, für die dieser den Deckungsschutz begehrt, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20% (vgl. BGH NJW-RR 2006, 791). Heißt also, der Streitwert errechnet sich aus dem voraussichtlichen Prozessrisiko der Hauptsache, für den der Mandant die Deckungszusage haben will. 

In einfach gelagerten Fällen lässt sich dieses Risiko anhand von Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten relativ simpel berechnen. Besondere Aufmerksamkeit ist aber solchen Fallgestaltungen zu schenken, bei denen die Einholung eines Sachverständigengutachtens ernsthaft in Betracht kommt. Dies kann den Streitwert erheblich erhöhen, da solche Kosten beim Streitwert zumindest dann zu berücksichtigen sind, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese tatsächlich entstehen werden (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 15.10.2019 - 11 W 24/19; OLG München, Beschluss vom 08.02.2018 - 14 U 2688/17). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass bei Fällen, bei denen es um die Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit und das Klageverfahren in der ersten Instanz geht, nicht zwingend eine Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr erfolgen muss. Sowohl das Brandenburgische OLG (a.a.O.) als auch das OLG Dresden (Beschluss vom 18.12.2019 - 4 W 896/19) haben entschieden, dass eine Anrechnung nicht zu erfolgen hat, da die Gebühren unabhängig voneinander in voller Höhe entstehen. 

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